Kurzinformation Religion: Orthodoxie – Orthodoxe Kirche

Gründung

Die ortho­doxe Kirche sieht sich in Sukzes­sion der auf Jesus von Nazareth zurück­ge­hen­den Jerusale­mer Urge­meinde und der apos­tolis­chen Gemein­de­grün­dun­gen außer­halb Palästi­nas. Die Prä­gung des Chris­ten­tums durch griechis­che Bil­dung vor allem im Ost­teil des Römis­chen Reich­es und durch lateinis­che, syrische oder kop­tis­che Sprache in anderen Reich­steilen führte zu ein­er zunehmenden Verselb­ständi­gung der größeren Lokalkirchen. Ab dem 5. Jh. kommt es zur Tren­nung der Reich­skirche von den alto­ri­en­tal­is­chen Christ*innen (Ostsyrer*innen, Westsyrer*innen, Armenier*innen, Kopten und Koptin­nen, Äthiopier*innen) und im 11. Jh. zur offiziellen Tren­nung des griechisch geprägten Chris­ten­tums vom lateinis­chen. Sei­ther ver­ste­hen sich die Christ*innen des Byzan­ti­nis­chen Reich­es und der von dort mis­sion­ierten slaw­is­chen Reiche als “ortho­dox”, d. h. sowohl “recht­gläu­big” als auch “(Gott) recht lobpreisend”.

Geschichte

5. Jh.: Spal­tung mit den Alto­ri­en­tal­en
9. Jh.: Kyril­los und Metho­d­ios mis­sion­ieren die slaw­is­che Bevölkerung
988: Taufe Rus­s­lands
11. Jh.: Auf­gabe der com­mu­nio in sac­ris mit Rom
1204: 4. Kreuz­zug erobert Kon­stan­tinopel
1438/9: Unionsver­such mit Rom scheit­ert
1453: Eroberung Kon­stan­tinopels durch die Osma­n­en; Rus­s­land ver­ste­ht sich nun als führen­der ortho­dox­er Staat
ab 19. Jh.: Befreiung von den Osma­n­en, Nation­al­staaten­grün­dun­gen in Südos­teu­ropa
1920: Enzyk­li­ka “An die Kirche Christi allerorts” des Öku­menis­chen Patri­ar­chates, im Anschluss Grün­dung des Öku­menis­chen Rates der Kirchen

Geschichte in Deutschland

18./19. Jh.: erste ortho­doxe Gemein­den
1917/18: sprung­hafte Zuwan­derung von Russ*innen, später Aufteilung der Gläu­bi­gen auf drei konkur­ri­erende Diöze­sen (abhängig von Moskau, Kon­stan­tinopel bzw. der sog. Aus­land­skirche)
1963: Grün­dung der Griechisch-Ortho­dox­en Metropolie unter dem Öku­menis­chen Patri­ar­chat, heute zahlen­mäßig größte Diözese
1969: Grün­dung des ser­bis­chen Bis­tums
1993: Grün­dung des bul­gar­ischen Bis­tums
1994: Grün­dung des rumänis­chen Bis­tums, Grün­dung der KOKiD

Lehre

Die ortho­doxe Kirche ver­wen­det als zen­tralen Beken­nt­nis­text das Glaubens­beken­nt­nis von Kon­stan­tinopel aus dem Jahre 381. Will man die Lehre der ortho­dox­en Kirche von der römisch-katholis­chen und reformierten Dog­matik abgren­zen, so wird man im ersteren Fall v. a. die Ablehnung eines Juris­dik­tion­spri­mates des Pap­stes und sein­er Unfehlbarkeit, die Ablehnung der unbe­fleck­ten Empfäng­nis Marias, die Hinzufü­gung des “Fil­ioque” (d. h. dass der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn [= fil­ioque] her­vorge­gan­gen sei) ins Glaubens­beken­nt­nis, etliche Dif­feren­zen in der Sakra­menten­lehre und die Ablehnung des Fege­feuers aufzählen. Von den Protestant*innen tren­nt die Ortho­doxe Kirche v. a. ein anderes Amtsver­ständ­nis (beson­deres Priester­tum vs. Predi­g­er­amt), die Heiligen‑, Reliquien- und Bilderverehrung, wiederum Unter­schiede in der Sakra­menten­lehre. Typ­isch für ortho­doxe Fröm­migkeits­men­tal­ität ist zudem eine sehr enge Bindung an die Tra­di­tion – neben der Bibel spie­len die Texte der Kirchen­väter in Predigt und Kat­e­ch­ese eine bedeu­tende Rolle –, außer­dem eine stärkere Zulas­sung des Gefühls im Fröm­migkeit­sleben, was sich auch in ein­er stärk­eren Hin­wen­dung zu mys­tis­chen Gebets- und Med­i­ta­tions­for­men (Herzens­ge­bet) äußert. Dadurch haben auch die Klöster Ein­fluss für das Leben kirch­lich gesin­nter Fam­i­lien. In Deutsch­land gibt es allerd­ings nur zwei Kle­in­stk­löster.

Wichtige Elemente der religiösen Praxis

Im Zen­trum des kirch­lichen Lebens ste­ht die eucharis­tis­che Liturgie. In ihrer alle Sinne ansprechen­den Aus­gestal­tung mit sym­bol­haften Hand­lun­gen, Kerzen, Weihrauch, Bildern (Iko­nen), Hym­nen, Musik (meist nur Vokalmusik) und ihrer lan­gen Dauer von ca. zwei bis drei Stun­den soll sie den Gläu­bi­gen aus der pro­fa­nen Welt her­aus- und in die Sphäre des Heili­gen hine­in­führen. Höhep­unkt ist die Teil­nahme an der Eucharistie, die in Gestalt von Rotwein und gesäuertem Brot mit dem Löf­fel gere­icht wird. Brot und Wein wer­den im Sinne der Real­präsenz als Leib und Blut Christi ver­standen. Das nach Ende der Liturgie an alle verteilte Brot (Anti­doron) ist geseg­netes, aber nich­teucharis­tis­ches Brot.
Anders als die Son­ntage wer­den die Lebens­ab­schnitts­feste Taufe, Ehe und Bestat­tung von prak­tisch allen Gläu­bi­gen kirch­lich began­gen. Es wird die Kinder­taufe mit Übergießen des ganzen Kör­pers, sofor­tiger Spendung des Chris­ma (ver­gle­ich­bar der Fir­mung) und nach­fol­gen­dem Eucharistieemp­fang auch des Kleinkindes prak­tiziert. Die Ehe gilt als vom Priester gespendetes Sakra­ment und wird mit dem Rit­us der Krö­nung began­gen, der die Heiligkeit der Ehe anzeigen soll. Der Bestat­tungsri­tus am offe­nen Sarg mit let­ztem Kuss für den Ver­stor­be­nen soll “Trauer­ar­beit” und Abschied unter­stützen. Daneben gibt es noch die Sakra­mente der Beichte, der Kranken­sal­bung und der Priester­wei­he. Wichtig ist auch die Ver­sorgung mit Wei­h­wass­er oder die in einem neu bezo­ge­nen Haus vol­l­zo­gene Wasser­wei­he.
Zen­trale Feste des Kirchen­jahres sind Wei­h­nacht­en, das am 25. Dezem­ber gefeiert wird, das allerd­ings bei den Ort­skirchen mit julian­is­chem Kalen­der (vor allem Rus­s­land, Ser­bi­en, Palästi­na, Berg Athos) auf den gre­go­ri­an­is­chen 7. Jan­u­ar fällt, Epiphanie (6. Jan­u­ar), Ostern, Pfin­g­sten und Mari­ae Entschla­fung am 15. (bzw. 28.) August. Während die meis­ten autokephalen (unab­hängi­gen) Kirchen den gre­go­ri­an­is­chen Kalen­der für die fest­ste­hen­den Feste (z. B. Wei­h­nacht­en) über­nom­men haben, blieb man für die Oster­fest­berech­nung beim julian­is­chen Kalen­der, um das Oster­fest gemein­sam zu bege­hen. So kommt es im Ver­gle­ich zu den Christ*innen west­lich­er Tra­di­tion zu Ter­min­ver­schiebun­gen, die sich aus den jährlich dif­ferieren­den Abwe­ichun­gen von julian­is­ch­er Zeit­berech­nung und astronomis­chem Son­nen- und Mond­lauf ergibt. Außer­dem darf in der ortho­dox­en Kirche Ostern nicht mit jüdis­chem Pes­sah zusam­men­fall­en, da Jesus nach Pes­sah aufer­stand (was im West­en nicht mehr beachtet wird). Den hohen Fes­ten gehen Fas­ten­zeit­en voraus, die in den let­zten Jahrzehn­ten nur noch von weni­gen Gläu­bi­gen und/oder stark verkürzt beachtet wer­den.

Europäische / deutsche Besonderheiten

In west­lichen Län­dern mit ortho­dox­en Par­al­lelor­gan­i­sa­tio­nen (Diöze­sen der jew­eili­gen Nation­al­itäten) wird nach Struk­turen gesucht, die die Wahrnehmung gemein­samer Inter­essen und eine Vertre­tung der ortho­dox­en Kirchen nach Außen ermöglicht, ohne die nation­al bes­timmten Bindun­gen der einzel­nen Diöze­sen aufgeben zu müssen. In Deutsch­land wurde deshalb 1994 die “Kom­mis­sion der ortho­dox­en Kirche in Deutsch­land – Ver­band der Diöze­sen” (KOKiD) gegrün­det, in der jene ortho­dox­en Diöze­sen vertreten sind, die miteinan­der in Kom­mu­nionge­mein­schaft ste­hen.
Da die Zahl deutsch­er Konvertit*innen begren­zt ist und die Verbindung der ortho­dox­en Zuwander*innen zur Heimat ger­ade in der Kirche gesucht wird, sind typ­isch deutsche Ele­mente oder auch Deutsch als Gottes­di­en­st­sprache kaum zu beobacht­en. Anpas­sun­gen zeigen sich allen­falls bei den Gottes­di­en­stzeit­en, die son­ntags oft etwas später liegen oder an Werk­ta­gen auf den Abend ver­schoben wer­den, um den Besuch möglich zu machen.

Verbreitung

Die ortho­dox­en Gläu­bi­gen (ca. 150 Mio.) leben zunächst ein­mal in den Län­dern mit tra­di­tionell ortho­dox­er Bevölkerung in den selb­ständi­gen Ort­skirchen. Es sind dies in der Rei­hen­folge des Ehren­ranges:

Erzbis­tum von Kon­stan­tinopel und Öku­menis­ches Patri­ar­chat (Sitz: Istan­bul)3.500.000
Patri­ar­chat von Alexan­dreia750.000
Patri­ar­chat von Anti­ocheia (Sitz: Damaskus)750.000
Patri­ar­chat von Jerusalem250.000
Patri­ar­chat von Rus­s­land (mit Ukraine)100.000.000
Patri­ar­chat von Ser­bi­en8.000.000
Patri­ar­chat von Rumänien20.000.000
Patri­ar­chat von Bul­gar­ien8.000.000
Patri­ar­chat von Georgien3.000.000
Kirche von Zypern350.000
Kirche von Griechen­land10.000.000
Kirche von Polen500.000
Kirche von Alban­ien170.000
Kirche von Tschechien und der Slowakei150.000

Durch Migra­tion leben ortho­doxe Christ*innen heute in allen Teilen der Welt, wobei die USA, Aus­tralien und Deutsch­land (1,2 Mio.) zahlen­mäßig am bedeu­tend­sten sind. Meist sind für die neu ent­stande­nen Gemein­den nach dem Nation­al­itäten­prinzip Bistümer getren­nt nach Sprach­grup­pen gegrün­det wor­den, die von den Heimatkirchen abhän­gen.

Organisation

Die ortho­dox­en Lan­deskirchen sind in der Regelung ihrer inneren Angele­gen­heit­en voneinan­der unab­hängig, d. h. autokephal. Die Rang­folge der autokephalen Kirchen bezieht sich lediglich auf Ehren­vor­ränge, die z. B. bei Konzel­e­bra­tion bedeut­sam wer­den. Das Erzbis­tum von Kon­stan­tinopel hat als Öku­menis­ches Patri­ar­chat den Ehren­vor­rang ohne juris­dik­tionelle Kom­pe­ten­zen, kann jedoch in gesam­tortho­dox­en Angele­gen­heit­en die Ini­tia­tive ergreifen und – nach Abstim­mung mit den anderen autokephalen Kirchen! – die ortho­doxe Kirche ins­ge­samt nach außen vertreten. Die autokephalen Kirchen haben Glaube, Gottes­di­enst und kirch­liche Ord­nung gemein­sam und leben dies durch Konzel­e­bra­tion auch sakra­men­taler Gottes­di­en­ste und durch Syn­oden, die Angele­gen­heit­en von gesam­tortho­dox­er Bedeu­tung behan­deln.
Es gibt drei Wei­he­grade des höheren Klerus: Diakon, Priester und Bischof. Inner­halb dieser Wei­he­grade gibt es weit­ere Abstu­fun­gen (beim Bischof z. B. Weih- bzw. Tit­u­lar­bischof ohne eigene Diözese, Erzbischof, Met­ro­pol­it oder Patri­arch), die eine Anerken­nung für geleis­tete Arbeit, Dien­stal­ter oder Wichtigkeit der Posi­tion zum Aus­druck brin­gen, aber auch Funk­tion­sun­ter­schiede haben kön­nen. Während die Bis­chöfe aus dem unver­heirateten Klerus gewählt wer­den, kön­nen Priester und Diakone ver­heiratet sein.

Schriften

Ortho­dox­es Forum, Zeitschrift des Insti­tuts für Ortho­doxe The­olo­gie der Uni­ver­sität München (2 Hefte pro Jahr)
Ortho­dox­ie aktuell, Infor­ma­tio­nen aus der ortho­dox­en Kirche, hrsg. im Auf­trag der KOKiD (12 Hefte pro Jahr)
Ortho­doxe Bistümer und Gemein­den in Deutsch­land [Adressverze­ich­nis], jährlich neu, über KOKiD zu beziehen.
Ortho­dox­er Gottes­di­enst [Litur­gis­che Texte], ergänzte u. bearb. Aus­gabe der Über­set­zung von Erz­priester Alek­sej Mal’cev, diverse Bände erschienen, Ver­lag Fluhegg

Kontaktadresse

Ortho­doxe Bischof­skon­ferenz in Deutsch­land
Gen­er­alsekre­tari­at: Splintstr. 6a, 44139 Dort­mund
Tel. 0231 — 189 97 95 . Fax 0231 ‑189 97 96
www.obkd.de . generalsekretariat@obkd.de

Literatur

Bas­dekis, A.: Die ortho­doxe Kirche, Eine Han­dre­ichung für nicht-ortho­doxe und ortho­doxe Chris­ten und Kirchen, Frank­furt 2001.
Gali­tis, G., G. Mantzaridis, P. Wiertz: Glauben aus dem Herzen, Eine Ein­führung in die Ortho­dox­ie, München, 3. Aufl. 1994.
Lar­entza­kis, G.: Die ortho­doxe Kirche, ihr Leben und ihr Glaube, Graz 2000.

Autor: Dr. Dr. Was­sil­ios Klein, Bonn © REMID 2001

Kurz­in­for­ma­tion Reli­gion “Ortho­dox­ie — Ortho­doxe Kirche” als PDF-Datei

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