Kurzinformation Religion: Celtic Recon

Begriff

Das keltisch rekon­stru­ierte Hei­den­tum (engl.: Celtic Recon­struc­tion­ist Pagan­ism, abgekürzt CR oder Celtic Recon) ist eine neuhei­d­nis­che (neo­pa­gane) Reli­gion, die, zusam­men mit Asatrü, Hel­lenis­mos, Reli­gio Romana etc. zu den “rekon­stru­ierten” poly­the­is­tis­chen Rich­tun­gen gehört. “Rekon­stru­iert’ bezieht sich dabei auf das Bemühen um Übere­in­stim­mung mit den wis­senschaftlichen Erken­nt­nis­sen über die his­torischen Kel­ten. Als Selb­stver­ständ­nis neuer­er pagan­er Rich­tun­gen reflek­tiert der Begriff die Kri­tik an älteren For­men des Neuhei­den­tums, neue (z.B. keltische) Tra­di­tio­nen zu erfind­en. Neben dem Neo­druiden­tum, dem keltischen Schaman­is­mus, Celtic-Wic­ca etc. zählt CR zu den keltischen Aus­prä­gun­gen des Neuhei­den­tums.

Geschichte

CR hat sich seit den 1980er Jahren in den USA, Irland und auf den Britis­chen Inseln entwick­elt. 1992 wurde zum ersten Mal der Begriff „Celtic Recon­struc­tion­ist Pagan­ism“ benutzt. Aus­tausch und Bekan­nt­machung dieser neuen Rich­tung fan­den zunehmend über das Inter­net statt. Die Gründer*innen sind zwar vor allem der gälis­chen Kul­tur (Irland, Schot­t­land, Isle of Man) zuge­tan, weshalb auch die Lit­er­atur sehr von dieser Tra­di­tion geprägt ist, aber CR bezieht sich auf alle keltischen Strö­mungen, also auch die andere inselkeltische, näm­lich die bri­tan­nis­che (Wales, Corn­wall, Bre­tagne) und der­er bei­der Ursprung, die fes­t­land­keltische (Kel­ten der eisen­zeitlichen Antike).

Wichtige Elemente

Die Celtic Recons sind sich darüber klar, dass sie keine „Hüter ural­ter keltisch­er Tra­di­tion“ sind, son­dern eine neue Reli­gion auf Basis kel­tol­o­gis­ch­er Forschungsergeb­nisse kreieren. Da die archäol­o­gis­chen, his­torischen und mythol­o­gis­chen Überbleib­sel aus der antiken und mit­te­lal­ter­lichen keltischen Ver­gan­gen­heit aber keine
voll­ständi­gen Aus­sagen über vorchristlich-keltische Reli­giosität zulassen, greift man beim Fehlen von Quellen auf Ideen bess­er bekan­nter Poly­the­is­men zurück und lässt sich davon inspiri­eren (z.B. Hin­duis­mus, Voodoo, Shin­to­is­mus, Stammes­re­li­gio­nen oder die Kulte der klas­sis­chen Antike sowie auch indoger­man­is­che Ver­gle­iche all­ge­mein).

CR ist eine poly­the­is­tis­che Reli­gion. Der Kern bildet die Verehrung der vie­len hun­dert keltischen Göt­tin­nen und Göt­ter, die als Funk­tion­s­göt­ter mit aus­gear­beit­eten charak­ter­lichen Pro­filen für mod­erne All­t­agsprob­leme
ansprech­bar wer­den. Bekan­nte keltische Got­theit­en sind z.B.:

  • Epona,
  • die Matro­nen,
  • Teu­tates oder Cer­nun­nos bei den Fes­t­land­kel­ten;
  • Danu,
  • Mör­ri­g­an,
  • Ogma oder Man­an­nän mac Lir bei den Iren;
  • Cerid­wen,
  • Artan­rhod,
  • Arawn oder Gwydion bei den Walis­ern.

Daneben wer­den auch Naturgeis­ter (irisch:Sidh) und die Ahn*innen geehrt. CR ver­ste­ht sich auch als “ani­mistisch’, was bedeutet, dass viele natür­liche und von Men­schen geschaf­fene Dinge als beseelt gel­ten. Die Geschicht­en und Charak­ter­isierun­gen all dieser Got­theit­en, Geis­ter und Wun­derdinge find­et ein Anhänger des CR haupt­säch­lich in den irischen und wal­i­sis­chen Mythen.

Die Beziehung zwis­chen den Celtic Recons und ihren Got­theit­en ist ein­er­seits sehr per­sön­lich und von Hingabe geprägt, ander­er­seits wird aber auch von den Got­theit­en erwartet, dass sie ihre Verehrer*innen beschützen und auf ihre Zuwen­dun­gen (Rit­u­al, Gebet, Opfer, tugend­hafte Lebensweise) pos­i­tiv reagieren. Diese oft fre­und­schaftliche Gegen­seit­igkeit wird mit dem „do-ut-des“-Prinzip (ich gebe, damit du gib­st), mit welchem der frühe Reli­gion­swis­senschaftler Geradus van der Leeuw den Opfer­kult in der Antike erk­lärte, begrün­det und dient der Aufrechter­hal­tung der kos­mis­chen Har­monie, denn die (kul­tischen) Zuwen­dun­gen an die Got­theit­en suchen den Frieden zwis­chen den Unsterblichen und den Sterblichen zu bewahren.

Kosmologie und Feste

Das Jen­seits, das zumeist als „Ander­swelt‘“ beze­ich­net wird, ist äußerst vielschichtig. In der Ander­swelt wohnen die Unsterblichen. Manch­mal erscheint diese Welt gefährlich und unheim­lich, im Großen und Ganzen wird sie aber als glück­selig beschrieben. Die Ander­swelt ist außer­dem Aufen­thalt­sort der See­len nach dem Tode. Daneben gibt es aber auch die Vorstel­lung, dass die Seele in einem irdis­chen Kör­p­er wiederge­boren wird. Göt­tliche Beloh­nung oder Bestra­fung (für den richti­gen oder falschen Glauben), Kar­ma und Erlö­sung aus dem Rad der Wiederge­burten sind dem CR fremd — im Grunde genom­men ist diese Reli­gion eher auf das
Dies­seits aus­gerichtet, trotz Nahev­er­hält­nis zur Ander­swelt.

Der Kos­mos ist dreigeteilt ın Him­mel, Erde und Meer. Die Zahl Drei spielt über­haupt eine immens wichtige Rolle — so ist auch die Triskele für Celtic Recons und andere keltisch ori­en­tierte Men­schen ein sehr beliebtes Sym­bol. Die Ander­swelt ist in der einen oder anderen Weise in all diesen drei Wel­ten vorhan­den und manch­mal auch für Lebende zugänglich. Die Tore zwis­chen den Wel­ten sind unheim­liche oder markante Orte und Zeit­en (z.B. Höhlen, Gewäss­er, Inseln, Wälder, Gräber, Rumen und auch das Samain-Fest).

Die drei Ebe­nen der Welt sind in der Mitte durch eine Säule oder einen Wel­tenbaum ver­bun­den. Diese heilige Mitte ist jedem Kul­tort imma­nent, weshalb eine Zer­e­monie sym­bol­isch stets in der Wel­ten­mitte stat­tfind­et. Aus der Mitte der Welt entspringt die “heilige feurige Quelle der Inspi­ra­tion’ (wal­i­sisch „Awen“, irisch „IJIm­bas“), die eben­falls die Verbindung zu den Got­theit­en und ihrer Weisheit her­stellt.

Neben den Über­gangsriten (Geburt, Namensge­bung, Heirat, neuer Lebens­ab­schnitt, Tod) gibt es vier große Jahres­feste, die von allen Celtic Recons in der einen oder anderen Art, manch­mal auch nach den Mond­phasen, gefeiert wer­den:

1. Novem­ber: Samain „Som­merende*“:
Jahres­be­ginn, Win­ter­be­ginn, Beginn der dun­klen Jahreshälfte, Totenge­denken, Ehrung aller Got­theit­en.
1. Feb­ru­ar: Imbolc
„umfassende Reini­gung“, Früh­lings­be­ginn, Ehrung der Göt­tin Brig­it.
1. Mai: Beltaine „Feuer des Bel“:
Som­mer­be­ginn, Beginn der licht­en Jahreshälfte, Heilung, Ekstase, Ehrung des
Gottes Bel.
1. August: Lug­nasad „Ver­samm­lung des Lugh“:
Herb­st­be­ginn, Ern­te­fest, Wet­tkämpfe, Jahrmärk­te, Ehrung des
Gottes Lugh und der Erdgöt­tin Tailtıu.

Welche (Jahres)feste außer­dem noch gefeiert wer­den, bleibt jeder/m Celtic Recon selb­st über­lassen.

Gemeinschaft

Den Celtic Recons ist bewusst, dass viele Teile der his­torischen keltischen Gesellschaft­sor­d­nung dem mod­er­nen Selb­stver­ständ­nis und den Men­schen­recht­en zuwider­laufen. Diese soge­nan­nten „schädlichen Tra­di­tio­nen“ (patri­ar­chale Nor­men, Feu­dal­is­mus, Kriegstreiberei, Sklaverei, Kör­per­strafen, Men­schenopfer) wer­den daher aus Prinzip nicht rekon­stru­iert, son­dern abgelehnt. Insofern ver­ste­ht sich CR als anti­ras­sis­tisch und anti­sex­is­tisch.

Im CR ist Druiden ein Ehren­ti­tel, der nur Men­schen ver­liehen wird, die von ihrer Kult­ge­mein­schaft dazu gewählt wur­den, sich um die religiösen Angele­gen­heit­en küm­mern und sich durch Arbeit an der CR-Gemein­schaft her­vor­tun. CR-Druiden besitzen wed­er elitäres (Geheim) Wis­sen noch irgendwelche Priv­i­legien gegenüber den anderen Gläu­bi­gen. CR-Grup­pen kön­nen sich selb­st aus­suchen, ob sie Druid*innen als spir­ituelle Leiter*innen wollen oder nicht. Die Grup­pen im deutschsprachi­gen Raum lehnen das
Druide­namt ab.

Kulturpraxis

Zu den meis­ten Rit­ualen sind auch Ander­s­gläu­bige, Außen­ste­hende und Kinder zuge­lassen. Es gibt im CR keine engen Vorschriften für Auf­bau und Inhalt kul­tisch­er Hand­lun­gen. Übliche größere Zer­e­monien fol­gen häu­fig fol­gen­dem Auf­bau: Höhep­unkt ist die Dar­bringung von Opfer­gaben an die Got­theit­en. Dem Opfer vor­angestellt sind die Bewusst­machung der Kos­molo­gie, Reini­gung, Ver­ban­nung der bösen Mächte, Entzün­den des heili­gen Feuers, Ein­ladung der Got­theit­en, der Ahn/innen und Naturgeis­ter, Gebete und Hym­nen, Liba­tio­nen und Umtrünke (am beliebtesten ist Met). Nach dem Opfer wird oft ein Orakel befragt, um den Göt­ter­willen zu erkun­den. Zum Abschluss kann es ein Festmahl und aus­ge­lassenes, the­men­be­zo­genes Feiern geben. Andere Meth­o­d­en sind Trance, Tanz, Rausch, Musik, Schwitzbäder, Med­i­ta­tion, Chants, Askese, Essen von heili­gen Speisen, luzides Träu­men etc. Des Weit­eren gibt es auch Heilz­er­e­monien, Pil­ger­reisen zu Kul­torten, Ini­ti­a­tion­sriten und Rit­uale. Sehr beliebt sind per­sön­liche oder famil­iäre Andacht­en, Gebete und Segenssprüche, die in den All­t­ag inte­gri­ert werden.Verbreitung und Organ­i­sa­tion

CR ist eher eine Bewe­gung und ver­fügt über keine feste Organ­i­sa­tion. Den Gläu­bi­gen ste­ht es frei, wie sie sich
arrang­ieren: in Vere­inen, als Kult­ge­mein­schaften, als lose Grup­pen, in Fre­un­deskreisen, in Fam­i­lien oder als Einzelne, die sich über das Inter­net aus­tauschen. CR ist eine sehr kleine Reli­gion, deren Anhänger*innen aber in der ganzen west­lichen Welt zu find­en sind. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Auch inner­halb des neuhei­d­nis­chen Bere­ichs stellt CR eine Min­der­heit dar. Das Gros der Gläu­bi­gen dürfte in den USA behei­matet sein, gefol­gt von den Britis­chen Inseln und Irland sowie mit Abstand Deutsch­land. Zu erwäh­nen ist, dass
heutzu­tage ver­mehrt keltische und druidis­che Grup­pen rekon­struk­tion­is­tis­che Ansätze haben, weshalb eine klare Abgren­zung zwis­chen CR und anderen keltischen/druidischen Rich­tun­gen nicht immer möglich ist.

Situation in Deutschland

In Deutsch­land gibt es seit 2006 über das Inter­net eine lose Gemein­schaft von deutschsprachi­gen Celtic Recons, die sich oft als „Cel­toi“ beze­ich­nen. Anders als die englis­chsprachi­gen Grup­pen bevorzu­gen hier viele die fes­t­land­keltische Rich­tung, und, bezo­gen auf die jüng­ste Ver­gan­gen­heit, spie­len die Men­schen­rechte eine noch stärkere Rolle als in anderen Län­dern.

Schriften

Kathryn Price Nic Dhana et. al., “The CR FAQ — An Intro­duc­tion to Celtic Recon­struc­tion­ist Pagan­ism”, Riv­er
House Publ., Leverett’Massachusetts 2007.
Aedh Rua, „Celtic Flame — An Insid­ers Guide to Irish Pagan Tra­di­tion“, iUni­verse, Bloom­ing­ton, USA 2008
Erynn Rowan Lau­rie, „Ogam — Weav­ing Word Wis­dom“, Mega­lith­i­ca Books edi­tion, Stafford, UK 2007

Links

www.celtol.org
www.celticcafe.de
www. paganachd.com/faq/

Literatur

Mar­got Adler, „Draw­ing down the Moon“, Kapi­tel über „Pagan Recon­struc­tion­ists“, Pen­guin Books, New York, 1979, 5. Auflage 2006.
Eugene V. Gal­lagher; ASHCRAFT, W. Michael, „Intro­duc­tion to new and alter­na­tive reli­gions in Amer­i­ca“,
West­port, Conn.: Green­wood Press 2006.

Autor*innen: Clau­dia Jenik / Kris Wagen­seil © REMID 2013

Kurz­in­for­ma­tion Reli­gion “Celtic Recon” als PDF-Datei

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