REMID
Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V.
Kurzinformation Religion: Lichtnahrung
Begriff
Die Australierin Ellen Greve (*1957) nimmt nach eigenen Angaben seit 1993 keine normale Nahrung mehr zu sich, sondern ernährt sich stattdessen von “Licht”. Unter dem Pseudonym “Jasmuheen” verbreitet sie seitdem die Theorie, dass der Mensch lernen könne, ohne Essen und Trinken zu existieren und stattdessen von Licht zu leben. Im deutschsprachigen Raum verbreitete sich hierfür der Ausdruck “Lichtnahrung”. Das Phänomen findet sich aber auch unter dem Stichwort “Breatharianism”, was dem Begriff nach ein Leben auf der Basis von Luft oder Atem und weniger von Licht suggeriert. Als Selbstbezeichnung von Lichternährten wie Jasmuheen findet sich häufig der Begriff “Pranier”. Dieser leitet sich vom hinduistischen prana ab, das die Lebensenergie beschreibt. Dies verweist darauf, dass Lichtnahrung im Verständnis der Lichternährten nicht den Konsum wirklichen, sichtbaren Lichtes bedeutet. Vielmehr stellen sie sich vor, durch eine metaphysische Kraft ernährt zu werden.
Verbreitung
Konkrete Zahlen darüber, wie viele Menschen sich selbst als Lichternährte verstehen, gibt es nicht. Im Internet finden sich diverse Berichte von Personen, die angeben, sich zeitweilig von Lichtnahrung ernährt zu haben bzw. dies dauerhaft tun. Neben Jasmuheen gibt es vereinzelt öffentlich auftretende Vertreter*innen des Lichtnahrungskonzeptes, die durch eigene Buchpublikationen oder Vortragsarbeiten zur Verbreitung des Themas beitragen. Für den deutschsprachigen Raum ist hier insbesondere der Chemiker Michael Werner zu nennen, der sich eigenen Angaben zufolge seit 2001 von Licht ernährt.
Religionsgeschichtlicher Kontext
Berichte über Nahrungslosigkeit finden sich in verschiedenen religiösen Kontexten. Im Christentum sind sogenannte “Fastenwunder” wie das des Schweizer Nationalheiligen Nikolaus von Flüe (1417–1287) oder der Therese von Konnerreuth (1898–1962) bekannt, die angeblich beide bis auf den wöchentlichen Verzehr einer geweihten Hostie ohne Nahrung auskamen. Im Bereich der indischen Religionen gibt es Berichte über Yogis, die aufgrund asketischer Lebensweise oder spezieller spiritueller Techniken nahrungsabstinent leben. Im daoistischen Kontext Chinas existiert die Vorstellung, dass sich Qigong-Meister durch spezielle Ernährungslehren (“Bigu”) in den Zustand versetzen können, keine materielle Nahrung mehr aufnehmen zu müssen. Häufig mit der Nahrungslosigkeit verbunden ist die Vorstellung eines göttlichen Gnadenerweises, der es ermöglicht, sich nicht mehr auf konventionelle Weise ernähren zu müssen. Für Vertreter*innen der Lichtnahrungstheorie ist Lichtnahrung jedoch kein “göttliches Wunder”, sondern Resultat erlernbarer spiritueller Praktiken. Lichtnahrung steht ihrer Ansicht nach jedem und jeder offen und bildet eine alternative Ernährungsform, in der man statt materieller Nahrung “kosmische Energie” aufnimmt. Es geht also nicht darum nichts zu essen, sondern anders.
Das Lichtnahrungskonzept ist vom Gedankengebäude moderner esoterischer Lehren geprägt. Diese bilden keine Sammlung feststehender Lehren, basieren aber auf ähnlichen Grundsätzen im Weltbild. So besteht zum Beispiel die Vorstellung, dass die Welt sich gegenwärtig in einer Umbruchsphase befindet, die in ein neues Zeitalter führt (“New Age”) und der Menschheit eine höhere, spirituelle
Bewusstseinsebene ermöglicht. Hierdurch würden bestimmte Grenzen zwischen Geist und Materie aufgehoben, die es dem Menschen möglich machten, seinen Körper aus der Abhängigkeit der Materie zu befreien und somit auch zum Konsum von Lichtnahrung zu befähigen. Lichtnahrung wird in diesem Zusammenhang auch als “Ernährungsweise für das kommende Jahrtausend” (Jasmuheen) angepriesen.
Erklärungen der Lichtnahrung aus den Reihen der Lichternährten, lehnen sich meist an populärwissenschaftliche Adaptionen aus den Bereichen der Quantenphysik und ‑mechanik an, deren Theorien die Grenzen zwischen Geist und Materie ebenfalls auflösen. Die Suche nach wissenschaftlichen Erklärungen bzw. die Integration wissenschaftlich anmutender Erklärungsmodelle ist ebenfalls typisch für ein esoterisches Weltbild, das eine Synthese (grenz)wissenschaftlicher und metaphysischer Welterklärungsmodelle anstrebt. So ist es auch nicht erstaunlich, dass viele der Erfahrungsberichte über Lichtnahrung sich eher als Selbstexperimente darstellen und weniger als Zeugnisse einer religiösen Überzeugung.
Ernährungskonzept
Der Lichtbegriff im Lichtnahrungskonzept ist weder mit dem physikalischen noch dem alltagsverständlichen “Licht” gleichzusetzen. Hinter dem Begriff steckt vielmehr die Vorstellung einer “kosmischen Energie” oder “Lebenskraft”, weshalb viele Lichtnahrungspraktizierende den hinduistischen Begriff prana oder das chinesische qi vorziehen. Ein Vergleich mit Pflanzen, die durch Photosynthese aus Sonnenlicht Energie gewinnen können, ist nicht auf das Menschenbild im Lichtnahrungskonzept übertragbar. Das Lichtnahrungskonzept stellt in Aussicht, dass jeder Mensch, der die Theorie für richtig hält und sich entsprechend geistig darauf eingestimmt hat, seinen Körper auf Lichtnahrung umstellen kann. Hierfür werden verschiedene Wege beschrieben, wobei der wohl gängigste der Lichtnahrungsprozess ist, der in den Werken von Jasmuheen beschrieben wird. Dieser sogenannte 21-Tage-Prozess ist in drei siebentägige Einheiten unterteilt. Die ersten sieben Tage wird komplett auf Flüssigkeit und Nahrungsmittel verzichtet, wobei möglichst jede anstrengende Aktivität unterbleiben sollte. Jasmuheen beschreibt, dass in diesem Zeitraum der Körper von spirituellen Wesenheiten umgebaut werde, um anschließend Lichtnahrung aufnehmen zu können. Zur Stabilisierung dieser Körpertransformation kann an den folgenden sieben Tagen 20%-iger Fruchtsaft in beliebiger Menge getrunken werden, feste Nahrung ist jedoch weiterhin nicht vorgesehen. An den letzten sieben Tagen werden dann 40%-ige Fruchtsäfte konsumiert. Diese letzte Phase soll der körperlichen Heilung dienen. Nach dem 21-Tage-Prozess wird der Körper dem Lichtnahrungskonzept zufolge von Licht ernährt, was anderweitige Zufuhr von Nahrungsmitteln überflüssig machen soll. Essen, Trinken oder gelegentliches “Naschen” ist zwar nicht verboten, gilt aber auch nicht mehr als Notwendigkeit. Als Nahrungsquelle wird die Lichtnahrung angesehen. So kommt es, dass manche Lichternährte berichten, aus Lust am Geschmack oder aus Gründen der Geselligkeit gelegentlich herkömmliche Nahrungsmittel aufzunehmen, ohne dies als grundlegenden Widerspruch zu empfinden. Für viele Interessenten des Lichtnahrungskonzeptes ist es zwar das Ziel, sich irgendwann dauerhaft von Lichtnahrung ernähren zu können, die meisten, die vom Durchlaufen des Lichtnahrungsprozess berichten, kehren anschließend jedoch zunächst zur konventionellen Ernährung zurück. Dies wird aber in der Regel nicht mit einem “Nicht-Funktionieren” der Lichtnahrung begründet, sondern mit biographischen Inkompatibilitäten. Beispielsweise sei es auf dem individuellen Lebensweg noch nicht an der Zeit, sich auf diese spezielle Weise zu ernähren. Nichtsdestotrotz wird der Lichtnahrungsprozess meist als bedeutende spirituelle Erfahrung geschildert, weshalb manche ihn auch mehrmals bestreiten.
Wissenschaftliche Versuche
Dass sich bei dem Thema Lichtnahrung Unglaubwürdigkeit und Zweifel aufdrängen, ist nicht weiter verwunderlich, da es grundlegender Erfahrung widerspricht, dass Menschen ohne Nahrung auskommen können. Hinzu kommt, dass Lichternährte oftmals zugeben, geringe Mengen an Lebensmitteln zu konsumieren bzw. kalorienhaltige Getränke zu sich zu nehmen, was den Verdacht eines Schwindels nahe legt. Insgesamt wird Lichtnahrung sehr kritisch betrachtet und kontrovers diskutiert. Kritiker*innen unterstreichen hierbei insbesondere den Verdacht der Scharlatanerie und verweisen auf die Gefährlichkeit des Lichtnahrungsprozesses, bei dessen Durchführung nachweislich schon drei Menschen verstarben. Es gibt vereinzelte journalistische und medizinische Versuche, dem Lichtnahrungsphänomen auf die Spur zu kommen. Im Jahr 1999 stellte sich Jasmuheen für ein Experiment zur Verfügung, für das sie unter ständiger Beobachtung eines Fernsehteams einige Tage ohne Essen und Trinken in einem Hotelzimmer verbrachte. Eine Ärztin brach den Versuch allerdings ab, als Jasmuheen starke Anzeichen von Dehydration zeigte. Für einen anderen Versuch ließ sich Michael Werner im Jahr 2004 über einen Zeitraum von zehn Tagen auf einer Intensivstation beobachten, um seine Nahrungsabstinenz zu untersuchen. Es ist zwar gesichert, dass er über diesen Zeitraum nichts zu sich nahm, die Auswertung der medizinischen Daten ergab jedoch, dass er sich in einem Fastenzustand mit entsprechender Stoffwechseltätigkeit befand. Auch bei ihm konnte also wie bei Jasmuheen kein alternativer Ernährungszustand festgestellt werden. Wissenschaftliche Beweise für Lichtnahrung konnten somit für den westlichen Raum noch nicht erbracht werden. In Indien wurde in den Jahren 2003 und 2010 der nach eigenen Angaben über 70 Jahre nahrungslos lebende Yogi Prahlad Jani von Ärzten untersucht, die seine Nahrungsabstinenz dokumentierten und bestätigten. Inwiefern es sich hierbei um verwertbare wissenschaftliche Daten handelt, ist allerdings noch nicht gesichert.
Filme / Dokumentationen
Straubinger, P.A.: Am Anfang war das Licht (2010).
Tedeschi, Janos und Christof Schaefer: No Way To Heaven (2008).
Links
http://www.jasmuheen.com/
http://pranier.de/
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,691857,00.html
Literatur
Heusser, Peter et. al.: Nutrition with ‘Light and Water’? In
Strict Isolation for 10 Days without Food − a Critical Study. In: Forschende Komplementärmedizin 15 (2008); S. 203–209.
Jasmuheen: Lichtnahrung. Die Nahrungsquelle für das neue Jahrtausend, Burgrain 1997.
Jasmuheen: Der Lichtnahrungsprozess. Erfahrungsberichte, Burgrain 1998.
Jasmuheen: Sanfte Wege zur Lichtnahrung, Burgrain 2004.
Paramahansa Yogananda: Autobiographie eines Yogi, München 1992.
Möller, Melanie: Lichtnahrung als Ernährungskonzept und Fastenwunder der modernen Esoterik. In: Hoffstadt, Christian et al. (Hg.): Gastrosophical Turn. Essen zwischen Medizin und Öffentlichkeit, Bochum 2009, S. 189–204.
Vandereycken, Walter et. al.: Hungerkünstler. Fastenwunder. Magersucht. Eine Kulturgeschichte der Eßstörungen, München 1992.
Werner, Michael, Thomas Stöckli: Leben durch Lichtnahrung. Der Erfahrungsbericht eines Wissenschaftlers, München 2005.
Autorin: Melanie Möller © REMID 2011