Kurzinformation Religion: Christian Science

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Begriff

‚Chris­t­ian Sci­ence’ (CS) ist der Name ein­er in den USA gegrün­de­ten Reli­gion­s­ge­mein­schaft, die im deutschsprachi­gen Raum als ‚Christliche Wis­senschaft’ bekan­nt ist. Der Name ist auf die Überzeu­gung zurück­zuführen, dass die bib­lisch über­liefer­ten Heilun­gen Jesu keine über­natür­lichen Wun­der­tat­en, son­dern ‚wis­senschaftlich­es’– sprich: regel­geleit­etes – Han­deln anzeigten, das auf beweis­baren göt­tlichen Prinzip­i­en beruhte. So beze­ich­net der Begriff ‚Chris­t­ian Sci­ence’ nicht nur eine Kirche, son­dern auch ein Sys­tem geisti­gen Heilens. Die in Boston ansäs­sige sog. Mut­terkirche heißt ‚The First Church of Christ, Sci­en­tist’. Heute nen­nen sich Kirchen­mit­glieder ‚Christliche Wis­senschaftler’. Die Anfang des 20. Jh.s gängi­gen Begriffe ‚Sci­en­tismus’ bzw. ‚Sci­en­tis­ten’ sind nicht mehr im Gebrauch.

Geschichte

Die Neu-Englän­derin Mary Bak­er G. Eddy (1821–1910) ent­deck­te die Prinzip­i­en des geisti­gen Heilens am 4.2.1866 nach einem schw­eren Unfall. Die damit ein­herge­hende Selb­s­theilung Eddys wird auf göt­tliche Inspi­ra­tion zurück­ge­führt. Rezep­tion­s­geschichtlich scheint der Kon­takt (1862–1866) mit dem Heil­er Phineas P. Quim­by (1802–1866) eine wichtige Rolle gespielt zu haben. 1876 riefen Anhänger Eddys die ‚Chris­t­ian Sci­en­tists Asso­ci­a­tion’ ins Leben, und 1879 grün­de­ten einige Mit­glieder die ‚Church of Christ, Sci­en­tist’, 1881 fol­gte das ‚Mass­a­chu­setts Meta­phys­i­cal Col­lege’ in Boston, 1884 erschien erst­mals das Chris­t­ian Sci­ence Jour­nal. Interne Kon­flik­te zwan­gen Eddy 1889 dazu, die beste­hen­den Organ­i­sa­tio­nen aufzulösen. Erst 1892 ent­stand die zen­tral­is­tis­che, juris­tisch auf Eddy aus­gelegte und for­mal neu organ­isierte Mut­terkirche. Die Bibel und Eddys Lehrbuch wur­den 1894 als unper­sön­liche Pas­toren der CS-Kirche ordiniert; sie selb­st nahm den Titel ‚Pas­tor Emer­i­tus’ an. In der Fol­gezeit erlebte auch die Öffentlichkeit­sar­beit eine Pro­fes­sion­al­isierung (‚Chris­t­ian Sci­ence Board of Lec­ture­ship’, ‚Chris­t­ian Sci­ence Pub­lish­ing Soci­ety’, ‚Com­mit­tee of Pub­li­ca­tion’, Chris­t­ian Sci­ence Read­ing Rooms, Chris­t­ian Sci­ence Mon­i­tor). Anfang des 20. Jh.s kam es zu juris­tis­chen Skan­dalen und öffentlichen Debat­ten über Eddys Biogra­phie sowie über die ‚Christlichkeit’ der Lehre: Trotz­dem stieg die Anhängerzahl und weltweit ent­standen Zweigkirchen. Nach dem Tod Eddys 1910 erlebte die Chris­t­ian Sci­ence in den USA der 1930er und 1940er Jahre ihre Blütezeit. Ab den 1960ern stag­nierte die Entwick­lung, und für das späte 20. Jh. ist ein Rück­gang der Kirchen- und Mit­gliederzahl zu kon­sta­tieren.

Lehre

Die CS-Lehre ist in Eddys Hauptwerk Sci­ence and Health (Erstaus­gabe: 1875) dargestellt. Seit der sech­sten Fas­sung (1883) ist das über 200 Mal rev­i­dierte Lehrbuch als „Schlüs­sel zur Heili­gen Schrift“ konzip­iert. Es bein­hal­tet die als Einge­bung Gottes autorisierte, geistige Ausle­gung der Bibel (King James-Ver­sion). Die Darstel­lung fußt auf dem Anspruch, die Lehre Jesu als ‚wis­senschaftlich’ zu beschreiben, d. h. als prak­tisch anwend­bares Regel­w­erk.
Im theozen­trischen Welt­bild der CS regiert ein allmächtiger und all­ge­gen­wär­tiger Gott, der durch sieben Qual­itäten charak­ter­isiert ist: Geist, Wahrheit, Liebe, Gemüt, Seele, Prinzip und Leben. Aus dem vertrete­nen Geist­monis­mus fol­gt, dass Materie unwirk­lich sein muss: Ihr kommt kein Leben und keine Wahrheit zu, sie ist nur eine endliche Kon­struk­tion des sog. ‚sterblichen Gemüts’ (mor­tal mind). Dieses illu­sionäre Ich, das unen­twegt Illu­sio­nen schafft, ist die irrige Überzeu­gung des Men­schen, er existiere wesen­sar­tig ver­schieden von Gott. Sobald der Men­sch ver­ste­ht, dass er in Wahrheit Bild und Gle­ich­nis Gottes ist, über­windet er alle irrtüm­lichen Kon­struk­te und kann die Unwirk­lichkeit von Krankheit, Sünde und Tod ‚demon­stri­eren’. Ein solch­es Bewusst­sein, so Eddy, befähigte Jesus dazu, „Wun­der“ zu voll­brin­gen. In dieser Inter­pre­ta­tion erscheint Jesus als vol­lkommen­er Christlich­er Wis­senschaftler und die Schüler sind aufge­fordert, seinem Beispiel nachzueifern.

Elemente der religiösen Praxis

Dreh- und Angelpunkt der CS-Prax­is ist die durch Erken­nt­nis gewonnene Erlö­sung von Leid. Dabei konzen­tri­eren sich Christliche Wissenschaftler*innen in der Regel darauf, sich durch gesteigerte Got­terken­nt­nis der Unwirk­lichkeit von Krankheit bewusst zu wer­den. Wie zen­tral der Heilungs­gedanke in der CS ist, zeigt der Umstand, dass an jedem Mittwochabend eine Ver­samm­lung stat­tfind­et, in der Kirchen­mit­glieder von Heilungser­fol­gen bericht­en. Auch im Chris­t­ian Sci­ence Jour­nal wird monatlich ein Heilungszeug­nis (tes­ti­mo­ny) abge­druckt. Obgle­ich jede/r aufgerufen ist, CS im All­t­ag umzuset­zen, gibt es durch sog. ‚Klasse­nun­ter­richt’ geschulte Kirchen­mit­glieder, die die Gebet­sprax­is zu ihrem Beruf gemacht haben (sog. Praktiker*innen). Neben den Mittwochstr­e­f­fen find­et jeden Son­ntag ein Gottes­di­enst statt, bei dem gesun­gen und gebetet wird und zwei von der Gemeinde gewählte ‚Leser’ im Wech­sel aus der Bibel und aus Eddys Wis­senschaft und Gesund­heit vor­tra­gen. Par­al­lel zum Gottes­di­enst wird eine Son­ntagss­chule für die 3- bis 20-Jähri­gen ange­boten.

Abspaltungen

Die erste Spal­tung der CS ereignete sich bere­its 1872. In der Fol­gezeit kam es immer wieder dazu, dass Mit­glieder als ‚Häretik­er’ eingestuft und aus der Kirche aus­geschlossen wur­den. Dies gilt v. a. für Ten­den­zen, die Heilkraft auf den men­schlichen Geist und nicht allein auf Gott zurück­zuführen.
Exem­plar­isch sei auf fol­gende Abspal­tun­gen ver­wiesen:

  • Marie Schön grün­dete 1904 in Berlin die ‚Deutsche Vere­ini­gung Christlich­er Wis­senschafter’, die seit 1945 unter dem Namen ‚Christlich-wis­senschaftliche Bewe­gung deutschen Zweigs’ bekan­nt ist.
  • Christliche Wis­senschaftler in der Schweiz schlossen sich 1933 unter Leitung von Karl Sprenger zum ‚Schweiz­erischen Lan­desver­band freier Christlich­er Wis­senschafter’ zusam­men.
  • Auf die Bemühun­gen John W. Doorlys (1878–1950), das Werk Eddys zu sys­tem­a­tisieren und weit­er zu entwick­eln, geht das 1955 in der Schweiz gegrün­dete ‚Kap­pel­er-Insti­tut für die Wis­senschaft des Seins’ zurück.

Verbreitung

Auf der offiziellen Web­seite heißt es, Zweige der Mut­terkirche und CS-Organ­i­sa­tio­nen seien in ca. 80 Län­dern ver­bre­it­et. Eddys Lehrbuch wurde in 17 Sprachen über­set­zt und der Her­ald of Chris­t­ian Sci­ence erscheint in 13 Sprachen. Der Großteil der Kirchen­mit­glieder lebt aber im anglo­pho­nen Raum (USA, Großbri­tan­nien, Kana­da und Aus­tralien). In den meis­ten Län­dern außer­halb des englis­chen Sprachraums prak­tizieren nur kleine Grup­pen. Eine bedeu­tende Aus­nahme bildet Deutsch­land. Dies wird u.a. auf eine Nähe der CS-Lehre zu Strö­mungen der deutschen Philoso­phie zurück­ge­führt. Da Eddy ver­fügte, dass keine Mit­glieder­sta­tis­tik veröf­fentlicht wer­den dürfe, kann die Zahl der Mit­glieder nur über­schla­gen wer­den. Weltweit wird mit gegen­wär­tig 100.000 bis 150.000 Christlichen Wis­senschaftlern gerech­net, für Deutsch­land liegt die Zahl bei ca. 1.000 bis 1.200.

Schrifttum und Internet

Eddy, Mary Bak­er G. (1997). Wis­senschaft und Gesund­heit
mit Schlüs­sel zur Heili­gen Schrift. [ohne Ort]: The Writ­ings of Mary Bak­er Eddy.
Der Herold der Christlichen Wis­senschaft (http://www.heroldcw.com)
The Chris­t­ian Sci­ence Mon­i­tor (http://www.csmonitor.com)
The Chris­t­ian Sci­ence Jour­nal (www.csjournal.com)
The Chris­t­ian Sci­ence Sen­tinel (http://www.spirituality.com/sentinel)

Kontaktadresse

Chris­t­ian Sci­ence Komi­tee für Veröf­fentlichun­gen, Deutsch­land
Hoher Kamp 14 / 31303 Burgdorf
Tele­fon: 05136/8012948
Ver­ant­wortliche Leitung: Inge Hake
Email: germany@cskfv.org
Inter­net: www.christian-science.de und www.christianscience.com

Literatur

Holl, K. (1916). Der Szi­en­tismus. In: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswis­senschaft 37: 473–495.
Jeserich, F. (2008). ‚Krankheit’ und ‚Heilung’ im Kon-Text von Chris­t­ian Sci­ence. Hei­del­berg: unveröf­fentlichte Mag­is­ter­ar­beit.
Reimer, H.-D. (1966). Meta­ph­ysis­ches Heilen: Eine kri­tis­che Darstel­lung der ‚Christlichen Wis­senschaft’ (Chris­t­ian Sci­ence). Stuttgart: Kreuz.
Schoepflin, R. B. (2003). Chris­t­ian Sci­ence on Tri­al: Reli­gious Heal­ing in Amer­i­ca. Bal­ti­more: JHUP.
Wald­schmidt-Nel­son, B. (2009). Chris­t­ian Sci­ence im Lande Luthers: Eine amerikanis­che Reli­gion­s­ge­mein­schaft in Deutsch­land, 1894–2009. Stuttgart: Stein­er.

Autor: Flo­ri­an Jeserich © REMID 2010.

Kurz­in­for­ma­tion Reli­gion “Chris­t­ian Sci­ence” als PDF-Datei

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