REMID
Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V.
Vernetzung in der deutschsprachigen Religionswissenschaft — das Projekt „Mapping Religionswissenschaft: Vernetzen, Vertiefen, Sichtbarmachen“
Wissenschaft lebt von kritischer Auseinandersetzung. Dialog und Austausch sind Grundpfeiler der Generierung von Wissen, die aus dem Alltag von Wissenschaftler:innen nicht wegzudenken sind. Im gegenseitigen Austausch wird die Forschung des Einzelnen (oder einzelner Projekte) von anderen rezipiert und kritisiert — ein Kreislauf, der die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit maßgeblich beeinflusst. Wie in anderen Disziplinen ist Vernetzung auch in der Religionswissenschaft zentral, gerade weil sie durch ihre Fachgeschichte sowie ihr inter- und transdisziplinäres Selbstverständnis viele Zugänge, Ansätze, geographische und inhaltliche Schwerpunkte in sich vereint.
Das 2019/2020 von jungen Religionswissenschaftler:innen[1] als Workshop- und Videoreihe ins Leben gerufene Projekt „Mapping Religionswissenschaft: Vernetzen, Vertiefen, Sichtbarmachen“ hat sich eben jene Vernetzung innerhalb der deutschsprachigen Religionswissenschaft als Ziel gesetzt. Im Rahmen des Projekts wurde über die letzten Jahre eine Plattform für Mittelbau- und Nachwuchswissenschaftler:innen geschaffen, auf der sie sich austauschen und Anknüpfungspunkte an ihre eigenen Forschungs- oder Interessengebiete herstellen konnten.[2]
Brücken bauen
Die deutschsprachige Religionswissenschaft ist vielfältig und besteht aus Wissenschaftler:innen, die eine breite Palette an Themen, Theorien und Methoden abdecken. Auch durch die vielen unterschiedlichen (sub-)disziplinären Perspektiven und Zugänge zeichnet sich das Fach durch eine hohe Diversität aus. Ein erstes Ziel von „Mapping ReWi“ ist es daher, die Forschung verschiedener neuberufener Professor:innen und Wissenschaftler:innen mit verstetigten Stellen sowie ihre Werdegänge kennenzulernen und in einem interaktiven Format über ihre Forschungsansätze zu sprechen. Tiefgehende theoretische und methodische Diskussionen stehen dabei genauso wie die persönlichen Perspektiven und Lebensläufe im Vordergrund. Über 80 junge Wissenschaftler:innen von über 23 Standorten kamen in den digitalen Workshops ins Gespräch, tauschten sich aus und bauten Brücken über geographische und (sub-)disziplinären Grenzen hinweg.
In der Workshopreihe 2023 wurde der Fokus zuletzt auf den Themenschwerpunkt „Theoriearbeit in der Religionswissenschaft“ gelegt. Auch hier lud Mapping ReWi Fachvertreter:innen verschiedener Standorte ein, in dialogischer Form ihre jeweils unterschiedlichen Herangehensweisen an das Arbeiten mit Theorien vorzustellten und mit den Teilnehmer:innen zu diskutierten. Es ging dabei vor allem darum, den Mittelbau- und Nachwuchswissenschaftler:innen Tools und Herangehensweisen mitzugeben. So sollten Hemmungen in Bezug auf Theoriebildung genommen werden und außerdem ein offenes Gespräch über Theoriearbeit sowohl in der gegenwartsbezogenen als auch der historischen Religionsforschung angeregt werden.
Netze spannen
Beim Projekt Mapping ReWi stand die Frage im Zentrum, wie Vernetzung in der deutschsprachigen Religionswissenschaft auch nachhaltig und für alle zugänglich funktionieren kann. Neben den digitalen Workshopangebote nahm sich das Projekt daher von Anfang an einer digitalen Kartierung der religionswissenschaftlichen Forschung in Deutschland an. So wurden zum einen Videos mit den Fachvertreter:innen produziert und online für alle zugänglich veröffentlicht. In den Videos stellen sie ihre jeweiligen Forschungsschwerpunkte vor und machen so die Forschung an den verschiedenen religionswissenschaftlichen Standorten sichtbarer. Mapping Rewi trägt damit dazu bei, ein Netz zu spannen und Knoten- und Anknüpfungspunkte für junge Forscher:innen zu schaffen.
Zum anderen wurden auf Karten von Deutschland, Österreich und der Schweiz die Standorte der Universitäten verzeichnet, an denen Workshopteilnehmer:innen und Fachvertreter:innen arbeiten oder studieren. Die verschiedenen Karten visualisieren so die Vernetzung der Forschenden und geben einen Überblick über die religionswissenschaftliche Landschaft im deutschsprachigen Raum. Das von Mapping ReWi weitgespannte Netz wird sicherlich auch in Zukunft viele weitere Verknüpfungspunkte erlaubt.
Anschließend an die Workshops der ersten Phase publizierte Mapping ReWi zudem eine Sonderausgabe bei der Zeitschrift für junge Religionswissenschaft (ZjR). Die Artikel behandeln einerseits Perspektiven auf die Ziele des Projekts, die von den Projektinitiator:innen geschrieben wurden. Andererseits veröffentlichten Teilnehmer:innen Reflektionen und Inhalte ihrer eigenen Forschung, auch in Rückbezug auf die in den Workshops behandelten Ansätze und Themen. Einen ganz besonderen Blick bietet der Artikel „Mapping Religionswissenschaft: Zukunftsmusik“ von Ulrich Harlaß, der nicht nur die Problematik der jungen Religionswissenschaft thematisiert, sondern auch Erfahrungsberichte und Beiträge zu den Umständen und Missständen der Arbeitssituation der Mittelbau- und Nachwuchswissenschaftler:innen in der Religionswissenschaft beinhaltet.
Darüber hinaus entstanden diverse Blogposts und ein weiterer Bericht in der ZjR, in denen Eindrücke und Ergebnisse der Workshops festgehalten sind – auch diese Verschriftlichungen sollen Einladung und Anknüpfungspunkt für weitere Vernetzung sein.
Netzwerke festigen
Gedacht als Startpunkt für die Vernetzung und Kartierung der deutschsprachigen Religionswissenschaft eröffnete Mapping ReWi durch seine Workshops, Videos, seine Webseite und die ZjR-Sonderausgabe eine Plattform der Vernetzung. Sowohl die Workshops als auch das Angebot der Videos und reflektierenden Beiträge richtete sich ebenfalls an Studierende der Religionswissenschaft und sollte damit als Beitrag ihrer Orientierung über das Curriculum ihres Studiums hinaus dienen und ihnen Einblicke und erste Schritte in die Fachwelt ermöglichen. Das Projekt der Kartierung sowie die Videos dienen über die Hauptzielgruppe der Religionswissenschaftler:innen hinaus auch in einem weit umfangreicheren Sinn einer Sichtbarmachung der Religionswissenschaft als Fach in die Öffentlichkeit hinein. Dies kann bei Pflege und Ausbau zu einem wichtigen Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit des Faches in der deutschsprachigen Universitätslandschaft und einer breiter interessierten Öffentlichkeit sowie angehender junger Nachwuchswissenschaftler:innen und Studieninteressierter werden.
Religionswissenschaftler:innen konnten sich durch Mapping ReWi untereinander kennenlernen und über ihre jeweiligen Forschungsthemen und ‑perspektiven austauschen. So wurden erste Brücken gebaut und Netze gespannt. Es gilt nun, diese Netze, die die deutschsprachige Religionsforschung verbindet, zu pflegen und fortzuführen.
Das erfordert vor allem Ressourcen, aber auch den Mut, neue Formate auszuprobieren und sich für das eigene Fach einzusetzen. Aber es zahlt sich aus! Die rege Teilnahme an den Workshops des Projekts hat gezeigt, wie groß der Wunsch nach informellem und niederschwelligem Austausch abseits großer Tagungen ist. Und es ist deutlich geworden, dass es auch den religionswissenschaftlichen Standorten nur zugute kommt, wenn sie die Vielfalt religionsbezogenen Arbeitens vermitteln und angehende Nachwuchswissenschaftler:innen zur Vernetzung über die eigenen universitären Kontexte hinweg ermutigen. Mapping Religionswissenschaft hat den Anfang dazu gemacht, die inhaltliche Vernetzung unter Nachwuchswissenschaftler:innen zu fördern. Aber Vernetzung ist nie vorbei: Es braucht weiterhin Plattformen und Räume, die zum niederschwelligen Austausch über aktuelle Themen in der Religionswissenschaft aufrufen und so die religionsbezogene Forschung langfristig stärken.
— Team Mapping Religionswissenschaft
[1] Das erste Team bildete sich aus Wissenschaftler:innen der Universitäten Bonn, Bremen und München (Lina Aschenbrenner (München), Rafaela Eulberg (Bonn), Leonie C. Geiger (Bonn), Ulrich Harlass (Bremen), Lisa Kienzl (Bremen), Jan Krawczyk (Bremen), Lara Lindhorst (Bremen), Yulia Lokshina (Bonn), Bodil Stelter (Bremen), Petra Tillessen (Bonn), Aaron Vowinkel (Bonn)). Im Sommersemester 2022 übernahm ein neues Team der Universitäten Bayreuth, Berlin, Bochum, Bonn, Bremen, Erfurt, Hannover, Leipzig und Münster das Projekt: Steffen Führding (Hannover), Dominika Hadrysiewicz (Rostock/Berlin), Ulrich Harlass (Bremen), Emin Kalinkara (Bayreuth), Ariane Kovac (Leipzig), Mareike Ritter (Münster), Isabella Schwaderer (Erfurt), Dunja Sharbat Dar (Bochum) und Petra Tillessen (Bonn).
[2] Finanziert wurde das Projekt freundlicherweise zuerst durch die Hochschulrektorenkonferenz und das Bundesministerium für Bildung und Forschung und 2022–2023 von der Deutschen Vereinigung für Religionswissenschaft (DVRW).