In den islamis­chen Län­dern ist die Klei­dung von Mus­li­men so vielfältig wie die der Nicht­mus­lime in Europa. Durch die Min­der­heit­en­si­t­u­a­tion jedoch erscheinen viele Gläu­bige hier als „typ­isch mus­lim­isch“ gek­lei­det.

Vorbild Koran und Muhammad

Der Koran als autori­ta­tive Quelle islamis­ch­er Lebens­führung ken­nt jedoch nur wenige konkrete Bek­lei­dungsvorschriften. Dem­nach soll die Klei­dung von Muslim*innen ein­fach und gepflegt sein. Allah habe den Men­schen Klei­dung gegeben, um sich gegen Hitze und Kälte zu schützen sowie die inti­men Kör­perteile zu bedeck­en.
Mohammed gilt auch hier als Vor­bild. Der Über­liefer­ung nach hat er meist eine ein­fache Hose (Sir­w­al) und ein langes Hemd aus Baum­wolle getra­gen. Bei Gele­gen­heit schließlich trug er noch einen Man­tel. Den Kopf bedeck­te ein Tur­ban, an den Füßen San­dalen.
Als Zeichen des Beken­nt­niss­es zum Islam sowie der sozialen Zuge­hörigkeit spielte die Klei­dung durch die Geschichte hin­weg eine wichtige Rolle. Dabei wur­den auch Gebräuche ander­er Kul­turen über­nom­men (z. B. Hose – sowohl für Män­ner als auch für Frauen, kurze Jack­en, Kaf­tan). Im Zuge der west­lich ori­en­tierten Reform­be­we­gun­gen in den islamis­chen Län­dern ab dem 19. und 20. Jahrhun­dert ver­sucht­en die Regierun­gen, tra­di­tionelle Klei­dungsvorschriften zu unterbinden. Dies betraf in erster Lin­ie die Kopf­be­deck­un­gen, und hier beson­ders die Ver­schleierung der Frauen. Im Umkehrschluss kann das Anle­gen ein­er als für den Islam typ­is­chen Klei­dung als bewusstes Zeichen der Ori­en­tierung am Islam ange­se­hen wer­den. So haben bspw. oppo­si­tionelle demokratis­che Frauen­grup­pen während der Zeit des Schah im Iran einen Schleier als Zeichen des Protestes getra­gen. Dies gilt umso mehr in Zeit­en des islamistis­chen Protestes gegen autoritäre Regime.
Für Mus­lime in west­lichen Län­dern wird hinge­gen – abge­se­hen von Muslim*innen, die islamistis­che Posi­tio­nen unter­stützen – die Klei­dung als Sym­bol für eine neu gewonnene Iden­tität als Muslim*innen bedeut­sam.

Bekleidungsvorschriften für Männer

Abge­se­hen von der oben bere­its genan­nten Auf­forderung, dass die Klei­dung ein­fach und gepflegt sein soll und dass Muham­mad auch hier Vor­bild­funk­tion hat, ken­nt der Koran keine konkreten Bek­lei­dungsvorschriften. In der Tra­di­tion ist über­liefert, dass Män­ner keine Klei­der aus Sei­de tra­gen sollen. Auch Schmuck soll nicht angelegt wer­den.
Einzig für das Gebet und für die Pil­ger­fahrt ken­nt der Koran Regeln. Für das Gebet gilt das beson­dere Gebot, dass die Klei­dung ordentlich und sauber sein soll. Außer­dem sehen es viele Mus­lime als Pflicht an, während des Gebets eine Kopf­be­deck­ung zu tra­gen. Für die Pil­ger­fahrt sollen die Gläu­bi­gen eine Klei­dung nach Art Muham­mads tra­gen: Um die Hüften geschlun­gene, weiße Lein­tüch­er (Izar) und als Bedeck­ung für den Oberkör­p­er eben­falls ein umschlun­ge­nes weißes Lein­tuch (Rida). An den Füße sind San­dalen oder flache Schuhe zu tra­gen. Der Kopf bleibt unbe­deckt. Die ein­heitliche Klei­dung während der Pil­ger­fahrt soll soziale Unter­schiede verdeck­en und die Gemein­schaft der Gläu­bi­gen fördern. Zudem wird das Anle­gen der Klei­dung als Zeichen eines beson­deren Wei­hezu­s­tandes während der Pil­ger­fahrt ange­se­hen.

Bekleidungsvorschriften für Frauen

Was die Pil­ger­fahrt und das Gebet anbe­langt, ken­nt der Islam keine beson­deren Vorschriften für Frauen. Dies wird jedoch dadurch rel­a­tiviert, dass Frauen nach der Tra­di­tion ohne­hin beson­dere Klei­dung tra­gen sollen, wenn sie in der Öffentlichkeit unter­wegs sind.
Dies bezieht sich sowohl auf die Klei­dung im engeren Sinne als auch auf die Kopf­be­deck­ung. Bei­des zusam­men lässt sich als Ver­hül­lung beschreiben. Die Klei­dung ein­er Mus­li­ma soll so weit geschnit­ten sein, dass die Kör­perkon­turen nicht deut­lich her­vortreten. Darüber hin­aus sollen sowohl der Oberkör­p­er als auch die Haare bedeckt sein. Nach islamis­ch­er Lesart – wie sie auch im Koran niedergelegt ist – dient dies dazu, die Frauen vor allzu begieri­gen Blick­en der Män­ner zu schützen und ihre Würde zu bewahren. Gle­ich­wohl gibt es über die konkreten Anweisun­gen des Koran zur Ver­hül­lung der Frauen unter­schiedliche Ansicht­en. Auch region­al beste­hen in der Ver­hül­lung der Frauen Unter­schiede, und auch in bes­timmten Berufen war es nicht üblich, eine Kopf­be­deck­ung anzule­gen.
Im Unter­schied zu Män­nern ist es den Mus­lim­in­nen jedoch ges­tat­tet, Schmuck zu tra­gen. Auch darf die Klei­dung far­ben­fro­her sein. In der Folge hat sich ger­ade auch in west­lichen Län­dern ein zunehmendes islamis­ches Mode­be­wusst­sein entwick­elt, das unter Ein­hal­tung der religiösen Vorschriften eine modis­che Klei­dung anstrebt. Von eher tra­di­tionell ori­en­tierten Mus­lim­in­nen und Mus­li­men wird dies jedoch abgelehnt.

Kopftuch

Das Tra­gen des Kopf­tuch­es von Mus­lim­in­nen gehört zu den am meist disku­tierten Sym­bol­en islamis­chen Glaubens. Für die einen Zeichen der Unter­drück­ung der Frau, ist es vie­len Mus­lim­in­nen Aus­druck ihrer indi­vidu­ellen Reli­giosität.
Ungeachtet der Tat­sache, dass auch in vie­len bib­lizis­tis­chen oder evan­ge­likalen Gemein­schaften des Chris­ten­tums eine Kopf­be­deck­ung für Frauen selb­stver­ständlich ist, ord­net die öffentliche Diskus­sion das Kopf­tuch in der Regel dem Islam zu.
Das öffentliche Tra­gen des Kopf­tuch­es macht den Islam sicht­bar. Das löst immer wieder Kon­flik­te aus. Spätestens seit der Auseinan­der­set­zung um die Zuläs­sigkeit des Kopf­tuchs im öffentlichen Dienst – gerichtlich aus­ge­tra­gen am Fall der Lehrerin Feresh­ta Ludin – oder am Arbeit­splatz mit Kun­den­verkehr ist die Kopf­tuch-Frage zu dem zen­tralen Kristalli­sa­tion­spunkt in der Bew­er­tung des Islam gewor­den.

Kopftuch und Koran

Die Befür­wor­terIn­nen des Kopf­tuch­es leit­en die Verpflich­tung der Ver­hül­lung aus dem Koran ab. Sie berufen sich auf fol­gende Suren:

Und sprich zu den gläu­bi­gen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham bewahren, ihren Schmuck [d. h. die Kör­perteile, an denen sie Schmuck tra­gen; der Übers.] nicht offen zeigen, mit Aus­nahme dessen, was son­st sicht­bar ist. Sie sollen ihren Schleier auf den Klei­der­auss­chnitt schla­gen und ihren Schmuck nicht offen zeigen, es sei denn ihren Ehe­gat­ten, ihren Vätern, den Vätern ihrer Ehe­gat­ten, ihren Söh­nen, den Söh­nen ihrer Ehe­gat­ten, ihren Brüdern, den Söh­nen ihrer Brüder und den Söh­nen ihrer Schwest­ern, ihren Frauen, denen die ihre rechte Hand besitzt, den männlichen Gefol­gsleuten, die keinen Trieb mehr haben, den Kindern, die die Blöße der Frauen nicht beacht­en. Sie sollen ihre Füße nicht aneinan­der­schla­gen, damit man gewahr wird, was für einen Schmuck sie ver­bor­gen tra­gen. Bekehrt euch alle­samt zu Gott, ihr Gläu­bi­gen, auf dass es euch wohl erge­he.
[„Schmuck“ wird häu­fig auch über­set­zt als „Reize“]
[„Klei­der­auss­chnitt“ wird häu­fig auch über­set­zt als „Busen“]

Sure 24, Vers 31

Und für die unter den Frauen, die sich zur Ruhe geset­zt haben und nicht mehr zu heirat­en hof­fen, ist es kein Verge­hen wenn sie ihre Klei­der able­gen, ohne dass sie jedoch den Schmuck zur Schau stellen. Und bess­er wäre es für sie, dass sie sich dessen enthal­ten. Und Gott hört und weiß alles.

Sure 24, Vers 60

O Prophet, sag deinen Gat­tin­nen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläu­bi­gen, sie sollen etwas von ihrem Über­wurf über sich herunter ziehen. Das bewirkt eher, dass sie erkan­nt wer­den und dass sie nicht belästigt wer­den. Und Gott ist voller Verge­bung und barmherzig.

Sure 33, Vers 59

(Quelle: Der Koran. Über­set­zung von Adel Theodor Khoury. Unter Mitwirkung von Muham­mad Sal­im Abdul­lah. Mit einem Geleit­wort von Ina­mul­lah Khan, Gen­er­alsekretär des Islamis­chen Weltkonkgress­es. Güter­sloh, 2. durchge­se­hene Auflage 1992).

Kopftuch, Schleier und Verhüllung

Wenn vom „Kopf­tuch“ der Mus­lim­in­nen die Rede ist, han­delt es sich üblicher­weise nicht um ein Tuch, das über den Kopf gelegt und unter dem Kinn zusam­menge­bun­den wird, so dass nur die Haare bedeckt sind.
Diesem „europäis­chen Kopf­tuch“ am näch­sten kommt der Djil­bab. Das ist ein Tuch, das als Über­wurf über den Kopf, Schul­tern und Brust getra­gen wird. Die genaue Bedeu­tung des Wortes Djibab ist unklar. Manch­mal wird der Djil­bab auch als „Schleier“ über­set­zt, der Bedeu­tung näher kommt jedoch „Über­wurf“ oder „Schal­ge­wand“.
Der eigentliche Schleier ist jedoch der Tschador. Das Wort beze­ich­net ein langes, meist dun­kles Tuch, das sowohl den Kopf als auch den Kör­p­er ver­hüllt und über der nor­malen Klei­dung getra­gen wird. „Tschador“ kommt aus dem Per­sis­chen und bedeutet so viel wie „Zelt“. Der Tschador erlaubt auch, das Gesicht bis auf die Augen zu bedeck­en. [Im mod­er­nen inter­na­tionalen Sprachge­brauch wird mit Hid­schāb ins­beson­dere ein Kopf­tuch beze­ich­net, das die Haare, den Hals und die Brust der Frau bedeckt; Anm. C.W.].
Djil­bab und Tschador wer­den in der öffentlichen Diskus­sion meist als „Kopf­tuch“ beze­ich­net. Eine beson­ders weit gehende Form der Ver­hül­lung ist die Bur­ka, die während der Herrschaft der Tal­iban für Frauen zur Pflicht wurde. Die Bur­ka ist ein ein­teiliges Klei­dungsstück, das den ganzen Kör­p­er ein­schließlich des Gesichts bedeckt. In Höhe der Augen ist ein Netz eingear­beit­et, das den Frauen das Sehen erlaubt.

Pflicht zur Verhüllung?

Auch in der islamis­chen Welt gibt es keine Einigkeit, in welch­er Form sich Frauen in der Öffentlichkeit ver­hüllen müssen. Der Wort­laut des Koran ist hier nicht ein­deutig. Aus Sure 24:31 geht nicht her­vor, dass auch der Kopf bzw. die Haare bedeckt sein sollen („sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham bewahren, ihren Schmuck [d. h. die Kör­perteile, an denen sie Schmuck tra­gen; der Übers.] nicht offen zeigen, mit Aus­nahme dessen, was son­st sicht­bar ist. Sie sollen ihren Schleier auf den Klei­der­auss­chnitt schla­gen und ihren Schmuck nicht offen zeigen“). Auch Sure 33:59 schafft keine Klarheit („O Prophet, sag deinen Gat­tin­nen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläu­bi­gen, sie sollen etwas von ihrem Über­wurf [djil­bab] über sich herunter ziehen“).
Im All­ge­meinen aber wird aus diesen Suren die Pflicht zur Ver­hül­lung abgeleit­et. Das zeigt sich bei gläu­bi­gen Mus­lim­in­nen darin, dass sie lockere, weite Klei­dung tra­gen, die Arme und Beinde bedeck­en und die Kon­turen des Kör­pers möglichst nicht abbilden. In der Regel gehört dann auch die Bedeck­ung des Kopfes dazu. Andere Mus­lim­in­nen hinge­gen tra­gen ein Kopf­tuch, das die Haare bedeckt, das wiederum der son­sti­gen modis­chen Klei­dung angepasst sein kann. Wiederum andere lehnen eine Verpflich­tung zum Kopf­tuch ab, weil sie im Koran eben nicht aus­drück­lich gefordert sei. Befürworter*innen des Kopf­tuch­es sprechen diesen Frauen dann zwar nicht den Glauben an sich ab, wohl aber seine Ern­sthaftigkeit.
Unab­hängig von der Her­leitung aus dem Koran gibt es in den islamis­chen Län­dern eine auf die Zeit Muham­mads zurück­re­ichende Tra­di­tion der Kopf­be­deck­ung von Frauen. Aus dieser Tra­di­tion her­aus leit­et sich eine kul­turell bed­ingte, als religiös begrün­dete Verpflich­tung zum Tra­gen des Djil­bab oder Tschador ab. Für die Gläu­bi­gen ist die Ver­hül­lung dann ein Teil der Reli­gion, weil sie zur tradierten Leben­sprax­is des Islam – hinzuge­hört.

Das Kopftuch als Symbol

Die Motive von Mus­lim­in­nen, ein Kopf­tuch – Djil­bab, Tschador – zu tra­gen, kön­nen unter­schiedlich­er Art sein. Viele fassen die Ver­hül­lung des Kopfes als selb­stver­ständliche islamis­che Tra­di­tion auf, die nicht hin­ter­fragt wird und zum Leben als Mus­lim­in ein­fach dazu gehört. Andere hinge­gen leg­en sich, ins­beson­dere nach ein­er indi­vidu­ellen Hin­wen­dung zum Islam durch eine erneute Aneig­nung oder durch Kon­ver­sion, das Kopf­tuch als bewusstes Zeichen des Glaubens an.
In islamis­chen Län­dern, deren Regierun­gen Refor­men nach west­lichem Muster durchge­führt haben bzw. durch­führen woll­ten, wurde meist der Ver­such unter­nom­men, die islamis­chen Klei­dungsvorschriften in der Öffentlichkeit abzuschaf­fen. Dies gilt sowohl für die Män­ner (z. B. Tur­ban) als auch für die Frauen (Tschador). Ins­beson­dere dem „Kopf­tuch“ wurde ein neg­a­tiv­er Sym­bol­ge­halt zuge­sprochen. Das Kopf­tuch repräsen­tierte nicht nur die meist wesentlich stärk­er kul­turell als religiös motivierte Unter­drück­ung der Frau in der islamisch geprägten Gesellschaft, son­dern darüber hin­aus galt es auch als Zeichen für die Rück­ständigkeit des Islams ins­ge­samt. Diese Sichtweise wurde vor allem in der Türkei radikal vertreten.

Nach dem Zusam­men­bruch des Osman­is­chen Reich­es führte die neue Repub­lik Türkei unter ihrem Staats­grün­der Kemal Atatürk Refor­men durch, die einen Anschluss des Lan­des an west­liche Stan­dards mit sich brin­gen soll­ten. Hierzu gehörte auch die weit gehende Ver­ban­nung des Islam aus dem öffentlichen Leben, was unter dem Stich­wort Laizis­mus zusam­menge­fasst wird. Dabei muss jedoch bedacht wer­den, dass der türkische Laizis­mus keine Tren­nung von Staat und Reli­gion im eigentlichen Sinne bedeutet. Vielmehr kon­trol­liert der türkische Staat die Reli­gion durch eigene Behör­den. Aus dieser Tra­di­tion her­aus ist in der Türkei auch das Tra­gen des Kopf­tuch­es in öffentlichen Insti­tu­tio­nen (Schulen, Uni­ver­sitäten, Par­la­ment) ver­boten [Ver­bot wurde 2010 an Uni­ver­sitäten und 2014 an staatlichen Schulen aufge­hoben; C.W.]. Es wird auch ver­ständlich, warum türkische The­olo­gen und Islamwis­senschaftler das Tra­gen des Kopf­tuch­es als nicht vom Islam gefordert anse­hen. Ähn­liche Refor­men ver­suchte auch Schah Reza Pahlawi in Per­sien in der Zeit seines autoritären Regimes.
Im Gegen­zug symbolisiert(e) die „islamis­che“ Klei­dung in diesen Län­dern den Protest gegen die durch die Regierun­gen repräsen­tierte west­liche, materielle Kul­tur und war Zeichen der Forderung nach ein­er Re-Islamisierung von Staat und Gesellschaft. Auch hier wirk­te das Kopf­tuch – der Tschador – als starkes Sym­bol. Nach der iranis­chen Rev­o­lu­tion unter Khome­i­ni wurde das Tra­gen des Tschador dann für alle  – auch nicht­mus­lim­is­che –  Frauen verpflich­t­end, worin sich die begonnene voll­ständi­ge Islamisierung der Gesellschaft unter schi­itis­chen Vorze­ichen spiegeln sollte.

Das Kopftuch in der Diaspora

Diese Bilder und Sym­bole kön­nen jedoch nicht bruch­los auf die Muslim*innen in der europäis­chen Dias­po­r­a­sit­u­a­tion über­tra­gen wer­den. Bei Kon­flik­ten um das Kopf­tuch ist vielmehr zu beacht­en, welchen Sym­bol­w­ert das Kopf­tuch von außen, also von der christlichen oder säku­laren Gesellschaft zuge­sprochen bekommt, und welche Aus­sage es für die gläu­bige Per­son selb­st hat. Unter Bezug­nahme auf die Entwick­lun­gen in der islamis­chen Welt erhält die auf das „Kopf­tuch“ reduzierte Klei­dung von Frauen auch hier zu Lande meist einen neg­a­tiv­en Sym­bol­charak­ter. Dabei fall­en oft kul­turelle Tra­di­tio­nen der Ungle­ich­heit von Män­nern und Frauen in islamis­chen Län­dern, die ver­mutete Rück­ständigkeit des Islam sowie die Repräsen­ta­tion von Re-Islamisierungside­alen der ara­bis­chen Welt zusam­men. Das „Kopf­tuch“ erhält für Migran­tinnen aus der Türkei den gle­ichen Sym­bol­ge­halt wie für Frauen aus anderen Regio­nen, für in Deutsch­land geborene Mus­lim­in­nen oder für Kon­ver­titin­nen.
Wis­senschaftliche Unter­suchun­gen haben eine große Vielgestaltigkeit in der Bedeu­tung des Kopf­tuchs für mus­lim­is­che Frauen in Deutsch­land gezeigt. In der weit über­wiegen­den Zahl gehört eine islamistis­che Repräsen­ta­tion nicht dazu.
Während für Migran­tinnen das Kopf­tuch meist Teil der religiös-kul­turellen Tra­di­tion der Herkun­ft­slän­der ist, stellt es für in Deutsch­land geborene Mus­lim­in­nen oft ein Zeichen ein­er bewussten, oft­mals indi­vidu­ellen Aneig­nung des Islam dar. Diese Aneig­nung kann tra­di­tionelle Glaubensin­halte mit sich brin­gen, aber auch mod­erne, „lib­erale“ und emanzi­pa­tive Inter­pre­ta­tio­nen des Islam zum Inhalt haben. Dies gilt in ähn­lich­er Weise auch für Frauen, die bewusst kein Kopf­tuch tra­gen. Während einige die islamis­che Tra­di­tion und die damit ver­bun­de­nen Lebensvol­lzüge ablehnen, lehnen andere Frauen, die sich dem Islam zugewen­det haben, das Kopf­tuch ab, weil es für Muslim*innen in der Min­der­heit­en­si­t­u­a­tion eine Stig­ma­tisierung mit sich bringt oder durch die öffentliche Ken­ntlich­machung des Glaubens als reine Äußer­lichkeit wirken kön­nte.
In all­ge­mein­er Per­spek­tive ist das bewusste Trages des Kopf­tuchs von Mus­lim­in­nen vor allem ein Zeichen ein­er neu gewonnenen Iden­tität als Mus­lim­in in der (deutschen) Min­der­heit­en­si­t­u­a­tion, die eine Hin­wen­dung zum Islam kennze­ich­nen kann, zugle­ich aber auch tra­di­tionelle islamis­che Lebens­for­men etwa der nach Deutsch­land einge­wan­derten Eltern­gener­a­tion ablehnen kann. Das Kopf­tuch sym­bol­isiert dann wie die übrige als islamisch ange­se­hene Klei­dung auch ein Leben als Mus­lim­in in ein­er als nicht-islamis­chen akzep­tierten Gesellschaft. Es kommt dann auf den Einzelfall an, wie diese Lebenssi­t­u­a­tion ver­standen und die Auseinan­der­set­zung mit der Gesellschaft geführt wird.

Die Diskussion um das Kopftuch in Schule und Öffentlichkeit

Bere­its seit Ende der 1990er Jahre ist das Kopf­tuch in der Diskus­sion. Neben der konkreten Auseinan­der­set­zung um die Zuläs­sigkeit des Kopf­tuch-Tra­gens für Mus­li­ma im öffentlichen Dienst wird an diesem „Stück Tuch“ immer wieder auch das Rol­len­ver­ständ­nis von Mann und Frau sowie die Inte­gra­tion von Mus­li­men the­ma­tisiert. Und nicht zulet­zt wird anhand des Kopf­tuchs als Aus­druck islamis­ch­er Bek­lei­dungsvorschriften – und damit eines Sicht­bar­w­er­dens ander­sar­tiger Lebens- und Erziehungsvorstel­lun­gen – auch die Frage aufge­wor­fen, inwieweit im staatlichen Schul­sys­tem auf Forderun­gen von Mus­li­men etwa nach einem nicht-koe­duka­tiv­en Sportun­ter­richt Rück­sicht genom­men wer­den kann.

Eingedeutschte Schreib­weise im TextWis­senschaftliche Umschrift (DMG)
Sir­w­alsir­wāl
Izarizār
Ridaridāʾ
Djil­babǧil­bāb
Tschadorčādor
Hid­schābḥiǧāb
Bur­kaburquʿ

Bei den ver­schiede­nen Ver­hül­lungsarten fehlt in dieser Darstel­lung noch der Niqab (niqāb).

Autor: Stef­fen Rink (2005). Kor­rek­tur und Umschrift: Friederike Schmidt (2019), Aktu­al­isierung Mona Stumpe (2023)

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