Dem Grund­satz nach schließt das deutsche Bestat­tungsrecht islamis­che Begräb­nisse aus. Basierend auf möglichen Aus­nah­meregelun­gen sind in den let­zten Jahren auf öffentlichen Fried­höfen jedoch mehr und mehr islamis­che Grabfelder ent­standen.

Konfliktpunkte zwischen säkularem Bestattungsrecht und islamischer Bestattungstradition

Das Bestat­tungsrecht ist fällt in die Geset­zge­bungskom­pe­tenz der Bun­deslän­der. Es wird vor Ort durch die Fried­hof­s­satzun­gen der Städte und Gemein­den konkretisiert. Grund­lage der Bestat­tungs­ge­set­ze der Län­der bildet meist noch die Geset­zge­bung des Deutschen Reich­es aus dem Jahr 1934. Kern dieser Bestat­tungs­ge­set­ze ist die Abwehr von Seuchenge­fahr, wobei die Regelun­gen vor einem christlichen Hin­ter­grund getrof­fen wor­den sind.
Die sich aus ein­er verän­derten Sit­u­a­tion ergeben­den möglichen Kon­flik­t­punk­te sind:

  • Wartezeit zwis­chen Tod und Bestat­tung: Das Gesetz schreibt eine Zeit­dauer vor, die zwis­chen dem Ein­tritt des Todes und der Bestat­tung zu erfol­gen hat. Diese Zeit beträgt min­destens 48 Stun­den. Nach islamis­ch­er Tra­di­tion ist die tote Per­son aber möglichst noch am gle­ichen Tag zu bestat­ten.
  • Leichen­schau und Ausstel­lung eines Toten­scheins: Ein/e Arzt/Ärztin muss eine Leichen­schau vornehmen, unter anderem um mögliche Gefahren durch Krankheit­en der toten Per­son (Seuchen) auszuschließen. Auch aus diesem Grund gibt es die Wartezeit zwis­chen Tod und Bestat­tung; es kommt vor, dass die Leichen­schau aus Unken­nt­nis unterbleibt.
  • Öffentliche Toten­klage: Auch wenn es in der Tra­di­tion nicht vorgeschrieben ist, hat es Fälle gegeben, in denen Muslim*innen einen öffentlichen Raum (z. B. Bürg­er­haus) gemietet haben, um die Waschun­gen und Totenge­bete hier unter Beteili­gung zahlre­ich vorhan­den­er Ange­höriger zu vol­lziehen. Dem ste­ht der Seuchen­schutz ent­ge­gen, nach dem der Tote in einem Sarg in eine gekühlte Leichen­halle über­führt wer­den muss und eine Sargöff­nung nur in Aus­nah­me­fällen erlaubt ist. Das öffentliche Gebäude muss in einem solchen Fall ein­er Seuchen­reini­gung unter­zo­gen wer­den, auch wenn die tote Per­son keine entsprechen­den Krankheit­en besaß.
  • Fried­hof­szwang und Ausstat­tung der Fried­hof­s­ge­bäude: Tote müssen auf öffentlichen Fried­höfen begraben wer­den. Nur Reli­gion­s­ge­mein­schaften, die Kör­per­schaften des öffentliche Rechts sind, dür­fen eigene Fried­höfe unter­hal­ten. In der Regel sind dies die bei­den großen christlichen Kirchen und die jüdis­chen Gemein­den. Die Fried­hof­s­ge­bäude öffentlich­er und natür­lich auch der kirch­lichen Fried­höfe sind durch die christliche Reli­gion geprägt: Kreuze und andere Sym­bole befind­en sich in der Trauer­halle und kön­nen häu­fig für eine islamis­che Trauerzusam­menkun­ft nicht abgenom­men wer­den. Nach dem Gesetz müssen die Toten aber in einem Kühlraum auf­be­wahrt wer­den, wenn sie aus ihren Häusern gebracht wor­den sind und bevor die Trauerz­er­e­monie durchge­führt wird. Vom Grund­satz her bieten sich die Trauer­hallen auf den Fried­höfen natür­lich auch für die rit­uellen Waschun­gen an – wenn sich dort keine christlichen Sym­bole befind­en.
  • Fried­hof­szwang und Sargzwang: Das Gesetz schreibt die Bestat­tung im Sarg vor; Aus­nahme ist die Feuerbestat­tung. Die Einäscherung ist nach islamis­chem Glauben nicht möglich, und die tote Per­son soll in Tüch­ern gewick­elt in die Erde gelegt wer­den.
  • Fried­hof­szwang und Fried­hof­sor­d­nung: Die Bestat­tungs­ge­set­ze nen­nen die Grund­sätze, die Fried­hof­sor­d­nun­gen der Städte und Gemein­den enthal­ten die konkreten, oft detail­lierten Anweisun­gen über die Gestal­tung eines Fried­hofs ins­ge­samt wie der einzel­nen Grab­stät­ten. Ein Punkt ist die Bepflanzung und Pflege der Gräber. Bei­des ist im Islam nicht vorge­se­hen, in der Regel wird nur ein Stein auf das Grab gestellt, das anson­sten sich selb­st über­lassen bleibt. Dem ste­ht die Forderung nach Ein­heitlichkeit des gesamten Fried­hofs ent­ge­gen; das ästhetis­che Empfind­en duldet keine unbepflanzten Gräber. Des Weit­eren kol­li­dieren oft­mals die Anlage des Fried­hofs und der Grab­stät­ten mit der islamis­chen Vorschrift, dass der Tote so in die Erde gelegt wer­den soll, dass sein Gesicht nach Mek­ka schaut. Diese Lage ist dann nicht im richti­gen Winkel zu Wegen und Grab­parzellen. Schließlich ist es im Islam nicht üblich, Grab­stät­ten nach Ablauf ein­er bes­timmten Frist auszuheben und für neue Tote zu nutzen.

Überführung in die Heimatländer

Aus diesen Grün­den war es lange Zeit üblich, dass Ver­stor­bene Muslim*innen in ihre früheren Heimatlän­der über­führt wur­den. Dort kon­nten sie nach islamis­chen Vorschriften bestat­tet wer­den. Den hohen Über­führungskosten ste­hen die deutschen Fried­hof­s­ge­bühren gegenüber; in islamis­chen Län­dern wie zum Beispiel der Türkei wer­den solche Gebühren nicht oder nur in unwesentlich­er Höhe erhoben.
Für die Über­führun­gen gibt es in jed­er größeren Stadt islamis­che Bestat­tung­sun­ternehmen, die die organsatorischen und logis­tis­chen Anforderun­gen übernehmen.

Zunehmender Wunsch nach Bestattung in Deutschland

In dem Maße, wie die Kinder von islamis­chen Migrant*innen in Deutsch­land geboren wer­den und wie die Muslim*innen ins­ge­samt den Bezug zu den Herkun­ft­slän­dern ihre Fam­i­lien ver­lieren, wächst der Wun­sch nach ein­er Bestat­tung in Deutsch­land. Dem ste­hen oft aber die oben genan­nten Prob­leme ent­ge­gen. In größeren Städten gibt es jedoch zunehmend islamis­che Grabfelder, die von den anderen Grab­stät­ten getren­nt sind und gemäß den islamis­chen Bes­tim­mungen gestal­tet wer­den kön­nen. Eben­so bemühen sich die Fried­hofsver­wal­tun­gen darum, die in ein­er Trauer­halle vorhan­de­nen christlichen Sym­bole so anzubrin­gen, dass sie für eine islamis­che Bestat­tung ent­fer­nt wer­den kön­nen.
Darüber hin­aus find­et die Sargbestat­tung immer mehr Akzep­tanz. Der Trans­port vom Haus des Toten zum Fried­hof wird in der Regel mit einem Leichen­wa­gen durchge­führt; ins­ge­samt gibt es die Ten­denz, dass ein Trans­port im Sarg und auch die Grable­gung im Sarg als „schön­er“ ange­se­hen wer­den. Darin zeigt sich die Über­nahme west­lich­er Muster, die nicht zulet­zt auch von islamis­chen Bestat­tung­sun­ternehmen gefördert wird, die nach einem Aus­gle­ich für die lukra­tiv­en Über­führun­gen in die Herkun­ft­slän­dern suchen. Eine Feuerbestat­tung jedoch bleibt nach islamis­chem Recht jedoch weit­er­hin aus­geschlossen.

Autor: Stef­fen Rink, Aktu­al­isierung Mona Stumpe (2023)

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