REMID
Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V.
Steffen Rink ist eines der Gründungsmitglieder von REMID e. V. und blickt mit uns zusammen zurück in die Anfänge von REMID, Höhepunkte und Herausforderungen. Er hat Politikwissenschaft, VWL und Religionswissenschaft in Marburg studiert und war dabei, als REMID 1989 entstand. Bis 1993 war er bei REMID im Beisitz, ab 1993 bis 2001 dann Vorsitzender. Von 2001–2006 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Geschäftsstelle, der „Lernwerkstatt Weltreligionen“ und als Projektleiter der „Informationsplattform Religion“ tätig.
Gesa Marxsen und Emilia Bachmann, Vorstands-Beisitzende bei REMID, haben mit ihm über sein Engagement bei REMID, die Anfänge, Ziele und Entwicklungen des Vereins gesprochen sowie auf zukünftige Perspektiven und Herausforderungen geschaut, die sich für REMID aus dieser Vereinstradition ergeben:
Wie lange waren sie dann insgesamt bei REMID aktiv? Wie viele Jahre?
Rink: Da muss ich jetzt mal kurz rechnen, insgesamt 25 Jahre etwa. Es gab quasi zwei Bereiche. Einmal die Entwicklung, die ich gerade beschrieben habe, und dann noch ein Projekt, die Reihe „Religion am Mittwoch“. Das haben wir gemeinsam mit dem Fachgebiet Religionswissenschaft und der religionskundlichen Sammlung in Marburg gemacht. Die Idee dafür ist zusammen mit Edith Franke entstanden zur Zeit ihrer Berufung und wir haben dann diese Veranstaltungsreihe gemeinsam organisiert. Ich glaube, dass es in Vereinen oder Institutionen immer so ist, dass man einen Wechsel gestalten muss. Aus meiner Sicht war das auch offensichtlich, da sich mit der Zeit eben recht viele Dinge änderten: wie haben Folgeprojekte nicht mehr machen können, es gab neue Mitglieder, die sich engagieren wollten, gleichzeitig war dieser Anfangsimpuls gegen die kirchlichen Sektenbeauftragen weg, weil sich das ganze Umfeld eben veränderte.
Diese Frontstellungen waren nicht mehr in dem Maße da, die ganze Sekten-Debatte flaute ab und es ging nun viel mehr um den Islam und Migration. Das heißt, die anfänglichen Themen spiegelten sich nicht mehr so wirklich wider und man selbst kommt irgendwie eher in die Rolle als „Erzähl-Onkel“, der immer darüber spricht, wie es früher war. Und das war dann für mich der Zeitpunkt, mich da auch rauszuziehen, damit andere mit ihren heutigen Fragestellungen, Ansätzen und Interessen weitermachen können. Dieser Übergang bot sich dann also etwa 2009 an. Das Projekt „Religion am Mittwoch“ habe ich (auch auf Bitten von Frau Franke) noch ein paar Jahre weiter mitgemacht, allerdings bin ich dann irgendwann auch in die Kommunalpolitik eingestiegen und hatte gleichzeitig eine Festanstellung und dann hat REMID da zeitlich auch nicht mehr reingepasst.
Würden Sie sagen, dass man die Ziele, die sich REMID in den Anfangstagen gesetzt hat, erreicht hat oder zum Teil erreicht hat? Und wenn ja, welche?
Rink: Das ist eine schwierige Frage. Also was wir nur mittelbar erreicht haben, ist dieser Ansatz, dass berufliche Perspektiven oder Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden. Ich denke der Aspekt des „Informationsdienstes“ ist ein bisschen desillusioniert. Man kann natürlich sagen, wie recherchieren für Sie und Sie bezahlen. Aber das kann so überhaupt nicht stattfinden, weil die ganze Medienlandschaft ihre eigenen Archive hat. Das ist auch etwas frustrierend – das meine ich mit desillusioniert – weil sehr viel Reproduktion von bereits vorhandenem Wissen stattfindet und häufig wieder das gleiche geschrieben wird. Weil diejenigen, die sich mit einer Sache beschäftigen auf das zurückgreifen, was es im Verlagsarchiv der Süddeutschen Zeitung oder vom Sender schon gibt. Und das hat nicht funktioniert, über so eine Schiene etwas Neues zu generieren. Es gab ganz viele andere Diskussionen, ob man nicht die interkulturelle und interreligiöse Kompetenz zu Geld machen könnte im Bereich der Firmenberatung beispielsweise für Auslandsaufenthalte oder ähnlichem. In der Ethnologie gibt es da glaube ich mehrere Initiativen, die teils auch von Einzelpersonen ausgingen, aber das hatte nichts mit REMID zu tun und so etwas haben wir nie gemacht.
Aus der heutigen Sicht würde ich sagen, interkulturelle oder interreligiöse Pädagogik, die nicht religiös ist, ist eine ganz schwierige Sache, für die wir überhaupt nicht ausgebildet gewesen wären. Ich habe jetzt 10 Jahre lang Diversity und interkulturelle Kompetenz gemacht mit Vorgaben und das geht nicht so einfach und schnell.
Was wir erreicht haben, sind die größeren, mehrjährigen Projekte und dass wir als einer anerkannten Informationsquelle für andere gedient haben und dadurch auch eine unabhängigere Perspektive in den einen oder anderen Diskurs haben einbringen können. Das muss man schon auch so sehen. Es war und blieb auch der Verbund von den Absolvent:innen, die später dann auch an den Universitäten gearbeitet haben und ganz ähnliche Ansätze mitverfolgten und in ihre Arbeit eingebracht haben.
Ich würde mal sagen 80% der heutigen Professor:innen-Generationen vertritt ganz stark diese Idee, dass die Vermittlung und Beteiligung und das Einbringen in Diskurse auch Aufgabe der Wissenschaft ist. Ob das jetzt Herr Bochinger war oder Herbert Seibert in Leipzig oder Christoph Kleine, der zwar mit REMID nicht so viel zu tun hatte, aber diesen Ansatz auch stark verfolgt hat. Und daneben stand weiterhin immer auch der Fokus auf dem Erlernen von Sprachen. Und in dieser Strömung hat REMID seinen Beitrag geleistet.
Ich persönlich glaube, dass die „Informationsplattform Religion“ sehr wichtig war, weil wir da zu manchen Themen einfach Dinge zusammengestellt haben. Noch wichtiger waren die Statistiken über die Zahlen der Mitgliedschaften der Religionsgemeinschaften in Deutschland, weil es das vorher nicht gab. Darüber hinaus hatten wir ja auch den ein oder anderen öffentlichen Auftritt zu bestimmten Fragen und hatten unter anderem eine Zusammenarbeit mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration und Integration, bei der es um die Frage ging, wie Religionen bzw. Religionsgemeinschaften selbst aktiv an Integrationsleistungen beteiligt sein können und einen aktiven eigenen Part übernehmen können. Dieses Thema war in Anfang der 2000er auch in der öffentlichen Diskussion und wir konnten unsere verschiedenen Netzwerke da dann auch recht erfolgreich nutzen.
Mit den Wahlen 2005 und der nachfolgenden Regierung wurde das Projekt dann nicht mehr weitergeführt. Trotzdem wurde mit dem Projekt aber nochmal dieser selbsterarbeitete Stellenwert und die Wertschätzung dafür deutlich. Und mit dem Wegfall von der Projektförderung und der Zusammenarbeit mit der Migrations- und Integrationsbeauftragten wurde aber auch klar, dass der Verein nicht die notwendigen Strukturen hat, das aufzufangen und weiterzuführen. Nur mit Ehrenamtlichen geht das nicht. Es wäre vielleicht gegangen, wenn es irgendwo (nicht zwangsläufig in Marburg) eine größere Gruppe gegeben hätte, die sich um die Weiterführung gekümmert und für sich selbst darin auch eine neue Perspektive oder Aufgabe gesehen hätte. Aber das hat es [zu diesem Zeitpüunkt] nicht gegeben. Es gab natürlich weiterhin die vereinzelten Aktiven, aber nicht mehr diese klare Struktur und wie es im Einzelnen dann weitergelaufen ist, kann ich auch gar nicht so beurteilen. Aber es war auf jeden Fall ein Bruch, das muss man denke ich schon so sehen. Das lag sicher auch daran, dass für viele der Anfangsimpuls eben auch nicht mehr da war. Es war nicht klar, wo das hingehen soll und was denn die Leute mit dem Namen REMID eigentlich verbinden. Das sind so strategische Fragen, die man sich irgendwann stellt. Daher würde ich sagen, die Ziele wurden zum Teil erreicht, zum Teil aber auch einfach nicht.
Aus Ihrer Perspektive, wo sehen Sie die zukünftigen Aufgaben oder auch Herausforderungen für den Verein?
Rink: Ich glaube, es geht um weitere Aushandlung und Diskussion genau dieser Frage: Was wollen wir? Wo sehen wir eine Rolle für REMID und was soll der Verein in den nächsten 10 Jahren sein? Manche Dinge der Anfangszeit haben ja auch überlebt. Aber die Formen der Vermittlung und auch die damit verbundenen technischen Ansprüche haben sich so schnell gewandelt: heute werden Videos gemacht oder Podcasts. Auch wenn ich jetzt nicht so drinnen bin, zu sagen, wo da die Ansatzpunkte sind, halte ich den Grundanspruch, die „akademische“ Religionswissenschaft mit einer Öffentlichkeit zu verbinden weiterhin für wichtig. Und gerade auch über Soziale Medien und das Internet mit Informationen zur Verfügung zu stehen, als Institution, die man guten Gewissens fragen kann. Das fände ich toll, wenn es das weiterhin gäbe. Es ist aber auch ein großes Ziel. Die andere Linie ganz am Anfang war ja der religionswissenschaftliche Beruf oder Religionswissenschaft im Beruf. Ich denke es wäre gut, darüber zu reflektieren, weil das alles sehr tolle Initiativen waren, die noch mal mehr dazu beigetragen haben, REMID in der akademischen Welt zu verankern oder zumindest die Verbindung dazu zu halten. Aber ich denke die Öffentlichkeit sollte man nicht aus den Augen verlieren. Man muss sich nur entscheiden und das strategisch angehen.
Vielen Dank für ihre Zeit und Ihre Perspektive auf die Vergangenheit und auch die Zukunft von REMID.
Ein Interview mit REMID Gründungsmitglied Steffen Rink in zwei Teilen – der erste Teil wurde am 24.Oktober 2023 veröffentlicht . Vielen Dank an Gesa Marxsen und Emilia Bachmann, Vorstands-Beisitzende bei REMID, für das Durchführen des Interviews und das Transkribieren.