REMID
Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V.
Eindrücke von der 20. EASR Konferenz — Bericht von REMID Mitglied Evelyn Reuter
Vom 4. bis zum 8. September 2023 fand in Vilnius (Litauen) die 20. Konferenz der EASR zum Thema „Religion and Technology“ statt. Der einzigartige Tagungsort sowie das zukunftsweisende Thema kombiniert mit einer besonders hilfreichen Infrastruktur machten die Konferenz für mich zu einem besonderen Erlebnis.
Vilnius als kontrastreicher Konferenzort
Ursprünglich sollte die Tagung in Kyiv (Ukraine) stattfinden, was jedoch aufgrund des Krieges nicht möglich war. Daher warben die Organisator*innen aus Vilnius letztes Jahr auf der Konferenz in Cork eindrücklich dafür, nach Vilnius zu kommen, indem sie den amüsanten Clip „Do you know where Vilnius is?” zeigten, der es später leider nicht in die späteren Ankündigungsemails oder die Webseite geschafft hat. Das Fazit: „Vilnius: amazing wherever you think it is“.
Ich wusste zwar, dass Vilnius die Hauptstadt von Litauen ist, war aber noch nie dort. Die hübsche Altstadt birgt neben den bekannten Sehenswürdigkeiten, wie das Tor der Morgenröte, in welchem sich eine Marienkapelle befindet, einige unscheinbarere religiöse Orte. Dazu zählt unter anderem die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche, die ich auch wegen meines Forschungsinteresses an unierten Kirchen als religiöse Minderheiten besuchte.
Generell erschien Vilnius sehr solidarisch mit der Ukraine. Dies zeigte sich sowohl an den vielen Ukraine-Flaggen, die von den Balkons wehten, als auch an dem Schriftzug „Vilnius ♥ Ukraina“, der abwechselnd mit den Fahrtzielanzeigen der Busse aufschien. Am Rand der Innenstand stehen die die vermutlich vorsozialistisch, fast dörflich anmutenden Häusern im Kontrast zu den neuen Gebäuden, wie Einkaufsmeilen, Banken oder Hotels, wie das Radisson Blue, in dem die Konferenz stattfand.
Religion and Technology – ein zukunftsweisender Ansatz
Das Thema der Konferenz erschien mir zunächst zu speziell, obwohl es meine Neugier weckte. Unter der Vielfalt der Panels gab es mehrere, die zu meinen Themen passten, so dass ich mich entschied daran teilzunehmen. Und um es vorweg zu nehmen, es hat sich gelohnt, sich auf das Thema einzulassen. Die Organisator*innen haben ganz im Zeichen des Themas eine KI-Person kreiert, die die Teilnehmenden beim Opening Event noch vor offiziellen Vertreter*innen der Universität begrüßte:
Ganz im Zeichen der Technik gab es kein gedrucktes Book of Abstract, dafür aber die Möglichkeiten, alle Konferenzteile als Datei in den eigenen Kalender zu exportieren und den Panelorganisator*innen über Konferenzseite eine Nachricht zu schicken.
Auch die Auswahl der Keynote Speaker war gelungen. Den Auftakt machte Bronislaw Szerszynski (Lancester University, UK) mit einem sehr kunstvollen Vortrag zum Thema „The Twilight of the Machines: Technology Before and After Monotheism“. Dabei fiel insbesondere die innovative Form der Keynote auf: In dem atmosphärisch blau und rosa ausgeleuchteten Saal erzählte er die Geschichte von Menschen, Religion und Technik. Der einstudierte Vortrag war rhythmisch auf die mystisch anmutende Hintergrundmusik abgestimmt. Das Ende des dramaturgischen Beitrags reichte in die Zukunft, in der Maschinen die Erde verlassen würden und vergangene Technik (wie z.B. PCs) auf der Erde zurücklassen. Im Nachgespräch meinte Szerszynski, dass KI ihn zum Ende der Geschichte inspiriert habe, die auch in der Religionswissenschaft zum Game Changer werden wird.
Auch von François Gauthiers (Universität Fribourg, Schweiz) Keynote „Blowing it up at Burning Man. Religion, Technology and Ritual in the Age of Authenticity“ sprachen die Teilnehmenden noch Tage danach. Gauthier stieg mit ethnographischem Material ein, um die Zuhörenden anschaulich in die Szenerie des Events einzuführen. Anschließend analysierte er die erstaunlich vielen religiösen Bezüge, wobei er Religion als grundlegende und unableitbare Dimension sozialer Phänomene betrachtet. Unter den zahlreichen Panels waren mehrere, die sich mit der Erforschung von sozialen Medien und der Auswirkung der Pandemie auf Religion widmeten. Auch der FID Religionswissenschaft als Kooperations-Partner von REMID war vertreten und stellte das Projekt RelBib als wichtiges religionswissenschaftliches Tool vor.
Förderliche Infrastrukturen
Das Panel „Thinking Infrastructurally about Religion (and Religiously about Infrastructure)“ veranlasste mich auch über die Infrastrukturen der EASR Konferenz nachzudenken, die zum Gelingen einer solchen Veranstaltung beitragen und der grenzübergreifenden Vernetzung dienen. Neben den vielen traditionellen, fast selbstverständlich scheinenden Infrastrukturen – wie Kaffeepausen, Exkursionen, etc. – stach für mich dieses Jahr eine besonders hervor, weil ich ohne sie zum ersten Mal hätte nur schwerlich teilnehmen können: Die Kinderbetreuung. Da außer mir noch eine andere Teilnehmerin die Kinderbetreuung in Anspruch genommen hatte, fiel mir auf, wie schwierig es ist, für eine internationale Konferenz jemanden zu finden, der/die auch der sprachlichen Vielfalt der zu betreuenden Kinder gewachsen war.
Auch weil ich viel Zeit in dem Zimmer für die Kinderbetreuung verbracht habe, war die Konferenz zusammenfassend sehr intensive. Ich wusste im Voraus, dass ich neue Erfahrungen sammeln werde. Daher bin ich den umsichtigen Organisator*innen der Konferenz sehr dankbar, eine so freundliche Nanny engagiert zu haben, die mir die Teilnahme ermöglichte, obgleich ich selbst eine Back-Up-Alternative arrangiert hatte. Gleichzeitig bin ich froh, mich auf das Abenteuer Konferenz mit Kind eingelassen zu haben.
Evelyn Reuter