REMID
Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V.
Unter einem Blogartikel der Reihe “Religion und Vorurteil von A‑Z” kommentierte ein Leser, “eine schöne Erweiterung wäre mit der Aufnahme von ‘Atheismus’ denkbar, der im Bereich der Vorurteile für und wider Religion wohl eine ähnlich schillernde Rolle spielt, wie Säkularisierung/-rismus (die auch passend in dieser Reihe wären)”. Nun soll es aber an dieser Stelle weniger um “Vorurteile für und wider Religion” gehen, auch wenn hier und dort auch besondere religionwissenschaftliche Anmerkungen erfolgen, die man in dieser Hinsicht nennen könnte. Vielmehr soll es insbesondere um “Vorurteile für und wider Nichtreligion” gehen. Denn auch hier ist vielleicht die Religionswissenschaft ein guter Ansprechpartner, um zwischen z.B. Philosophie und den Theologien der Religionen zu vermitteln. Einerseits, weil die Möglichkeit des Nichtglaubens eine Bedingung der Möglichkeit überhaupt ist, so etwas wie eine vergleichende Religionswissenschaft sinnvoll betreiben zu können. Andererseits, weil schon aus religionsstatistischen Gründen auch diejenigen in den Blick kommen, die sich nicht religiös verorten.

Während der Sowjetunion war im Ostblock Religionswissenschaft “Atheismusforschung”. Diese wurde begleitet von einem propagandistischem Programm. Plakate wie dieses haben oft verschwörungsmythische Züge. Es war schwierig ein Motiv ohne offenen Antisemitismus zu finden. Hier wird eine Jesusfigur mit skelettiertem Gebein als eine Marionette geführt, um einen armen Proletarier mit einer Seilschlinge in die Kirche zu ziehen. Schlinge und Marionettenstock befinden sich in den Händen eines Unternehmers. Das ist sozusagen noch banal: Dem Kapital sei die Religion nützlich, um den Proletarier zu unterdrücken. Man vgl. auch “ ‘Es gibt keinen Gott!’ Kirche und Religion in sowjetischen Plakaten”.
Ausstellungskatalog herausgegeben von Konstanze Runge und Andey Trofimov, Veröffentlichungen der Religionskundlichen Sammlung 7, Marburg 2015.
Agnostizismus, methodischer. Im Allgemeinen bedeutet Agnostizismus (Nicht-Wissen), nichts darüber aussagen zu können, ob es Gott gibt oder nicht. Durch den Bezug auf das Wissen (Gnosis) lässt sich diese Form weltanschaulicher Selbstverortung auch auf andere religiöse Systeme und ihre metaphysischen Aussagen übertragen, seien es Verlöschen und Wiedergeburt in Hinduismus oder Buddhismus, oder seien es im Allgemeinen philosophische Aussagen über den Sinn des Lebens, die Weiterexistenz nach dem Tod, die Präsenz höherer Wesen oder besonderer Kräfte — genaugenommen überall dort, wo es um sogenannte Letztbegründungen geht, die Prämissen eines logischen Kalküls, die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis oder nicht falsifizierbare Theoreme. Während sich Naturwissenschaften in Anlehnung an Alexander von Humboldt eines methodischen Atheismus verpflichtet haben – also Wissenschaft so zu betreiben, als ob es keinen Gott gebe –, hat sich die Religionswissenschaft eines methodischen Agnostizismus verpflichtet. Überhaupt auch wenn diese Reflexion aus dieser Disziplin stammen mag, beschreibt sie doch etwas für die Geisteswissenschaften tendenziell Verallgemeinerbares. Dabei ist die Differenz offenkundig: Während die Moral von der Geschichte bei Humboldt damit zu tun hatte, Autopsien durchführen zu wollen, besteht sie hier darin, eine Ebene zu etablieren, in der nicht bewertet wird – und dementsprechend die selbst verwendeten Begriffe in der Beschreibung anderer Religionen als des Christentums auf ihre Voreingenommenheit hin zu befragen. Interessant ist dabei im übrigen der gelegentliche Vorwurf, eine solche Vorgehensweise würde einer Religionskritik (siehe dort) entgegenarbeiten. Tatsächlich verrät eine solche Religionskritik dabei nur über sich selbst, dass es ihr demnach um einen metaphysischen Irrtum geht, durch den sich gerade eine bestimmte Religion auszeichne. Es wäre also gerade keine Religionskritik im Sinne einer humanistisch-aufklärerischen Tradition (siehe Aufklärung). Sie muss Agnostizismus problematisieren, weil sie selbst religiös ist.
Atheismus. In einem religionswissenschaftlichen Seminar wurden Einführungen in jeweils eine Religion verglichen, im Idealfall nach religionswissenschaftlichen Kriterien. In einer Sitzung wurde ein Text (theologischer Provenienz) über Atheismus besprochen. Dieser Unterschied zunächst in seinem Vorgehen eine sehr lange Liste unterschiedlicher Atheismen. Der Unterschied bestand meist in der Motivation einer Abkehr von Gott, zugleich könnte man – darum ging es dem theologischen Text allerdings nicht – sie unterschiedlichen religionskritischen Anliegen zuordnen. Da gab es einen “moralischen Atheismus”, der fragt, wie es einen Gott geben kann, der Auschwitz zulässt. Da war ein melancholisch-romantischer Atheismus im Sinne der “Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei” (Jean Paul, aus: Siebenkäs, 1796) oder ein nihilistischer im Sinne der Parabel vom tollen Menschen in Friedrich Nietzsches “Die fröhliche Wissenschaft” (1882, Aphorismus 125, “Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet!”). Sicherlich war dem Text daran gelegen, diese Heterogenität zu demonstrieren, um aufzuzeigen, dass es sich gerade nicht um ein kohärentes Phänomen bzw. eine durchdachte Weltanschauung handele, sondern vielmehr um theologisch ernstzunehmende Anliegen zweifelnder Menschen, seine Sortenkunde des Atheismus bot also zugleich Anleitung den Atheisten in seinen diversen Färbungen zum jeweiligen Augsgangspunkt einer Predigt zu machen. Diese Perspektive lässt den Bruch mit dem Glauben nur in der durch die Mythen um Hiob einerseits und Luzifer andererseits vorgegebenen Weise zu. Insofern steht auch nicht das religionskritische Anliegen im Vordergrund, sondern das vermeintlich Defizitäre des Atheismus als Weltanschauung. Tatsächlich finden sich wenige Verbände, die sich explizit und vor allem ausschließlich als “atheistisch” verstehen. Etwa die Giordano-Bruno-Stiftung hatte sich zu dieser Zeit insbesondere auf “Grundzüge einer säkularen, evolutionär-humanistischen Ethik” berufen, heute betont sie zudem, dass sie “keine ‘atheistische’, sondern – wie die meisten führenden Wissenschaftler heute – eine ‘naturalistische’ Position” vertrete, “[d]as heißt: Wir gehen davon aus, dass es im Universum ‘mit rechten Dingen zugeht’, dass weder Götter noch Geister noch Kobolde oder Dämonen in die Naturgesetze eingreifen”. Eine andere Kritik am Atheismusbegriff besteht in der religionsgeschichtlich inspirierten Zurückweisung seiner Betonung der Gottesidee als Mittelpunkt einer oder von “Religion” oder zumindest ihres Monotheismus.
Aufklärung. Im engeren Sinne handelt es sich um eine historische Epoche mit regionalen Zentren insbesondere in Europa und Amerika, Mitte 17. bis Mitte 19. Jahrhundert mit Schwerpunkt um 1800. Neben einer im Kulturkontakt inspirierten jüdischen Aufklärung, Haskala, einem gewissen Austausch mit dem Islam und einer teilweise möglicherweise vom Westen unabhängigen eigenen japanischen Tradition aufgeklärten Denkens zu dieser Zeit (vgl. Michael Pye, Aufklärung and Religion in Europe and Japan, in: Religious Studies, Vol. 9, No. 2, Jun. 1973, S. 201–217) geht es dabei zunächst im Wesentlichen um eine kritische Reflexion des Christentums, daraus abgeleitet von Herrschaftsverhältnissen und ihrer Legitimation und schließlich konservativer, auf Tradition beruhender Weltanschauungen. Nach der Losung Immanuel Kants, “Aufklärung ist der Austritt des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit”, sollte statt der Theologie, der Lehre von Gott, die “Anthropologie”, also die Lehre vom Menschen, im Zentrum stehen (Ludwig Feuerbach) — dementsprechend statt eines gottesfürchtigen Lebens eine Gestaltung der Welt durch den Menschen und für den Menschen. Es mag heute seltsam erscheinen, dass das erste Projekt der französischen Aufklärungsphilosophen die Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers (Enzyklopädie oder ein durchdachtes Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Handwerke) war, die von 1751 bis 1780 in 35 Bänden erschien (vor der Französischen Revolution 1789). Praktisch musste das ganze bisherige Wissen(schafts)system — in Anlehnung an Redeweisen der späteren Autoren Hegel und Marx — erst “auf die Füße” gestellt werden: Statt Monarchie eines gottgewollten absolutistischen Herrschers eine Republik oder gar Demokratie, statt autoritäre Erziehung Entwicklung einer “philanthropischen” Pädagogik (ca. 1750–1815, also weit vor 1968), statt Irrenverwahrung im Kloster Erfindung einer medizinischen Psychiatrie, statt Todesstrafe und Folter eine auf Rehabilitlation ausgerichtete Strafpraxis, statt der Bibel als unverfälschtes Wort Gottes historisch-kritische Bibelwissenschaft, statt Kunst als Medium sakraler Bildlichkeit eine “moderne” Kunst, der es um den Bruch mit der Tradition geht, statt höfischem Unterhaltungstheater Irritation des Gewohntem, statt Jenseitsorientierung und innerweltlicher bis eremitischer Askese Diesseitsbejahung und Sinnlichkeit, usw. Dabei gibt es allerdings auch solche weiterhin “offenen” Aspekte wie die Geschlechterrollen, welche zwar nun biologisch und nicht weiter religiös begründet wurden, oder die Ungleichheit der Menschen, welche seitdem zu einem entscheidenden Gegenstand der unterschiedlichen politischen Bewegungen (Konservativismus, Liberalismus, Sozialismus, Anarchismus) wurde. Religionskritik (siehe dort) ist sicherlich eine der Säulen der Aufklärung, allerdings lag der Fokus historisch weniger — oder nur bei sehr wenigen randständigen Autoren wie dem Marquis de Sade — auf einem antireligiösen Interesse, vielmehr ist es wie auch der im Stichwort “Naturalismus” genannte Deismus (siehe dort) eine Bewegung, die viele Impulse aus der protestantischen Theologie aufgenommen hatte und den offenen Atheismus eher mied (der zu dieser Zeit in der Regel noch gesellschaftlich sanktioniert wurde). Auch wenn sie von Philosophen getragen wurde, waren auch die evangelisch-theologischen Debatten der Zeit um 1800 davon bestimmt, sich entweder nahe der Aufklärung oder demgegenüber etwa dem Pietismus nahe zu verorten.
Humanismus. Inspiriert durch die italienische Renaissance, welche die griechisch-römische Antike wiederentdeckt und neu (positiv) bewertet, sowie als Kritik von Gegenbewegungen wie z.B. der Schreckensherrschaft eines Pioniers in Sachen sogenannter religiöser “Fundamentalismus”, Girolamo Maria Francesco Matteo Savonarola in Florenz 1494–1498, begann man Autoren als Humanista zu bezeichnen, welche Schriften der Antike oder der Renaissance-Autoren in die “Volkssprachen” übersetzten — oder mit Hilfe dieser antiken Autoren ihre Gegenwart karikierten. Nach diesem und demjenigen Humanismus der Aufklärungszeit (siehe dort) gab es allerdings auch Ansätze eines “Dritten Humanismus” im frühen 20. Jahrhundert, wo es z.B. darum gehen konnte, dass das Leben in der Moderne “zu rationalistischer Entleerung und Abplattung des Lebens [führe], zu brutalen Reaktionen der vergewaltigten Natur, zur ungesunden Hypertrophie des Erwerbs- und Vergnügungssinnes, zur Aufhebung der geistigen Selbständigkeit von Staat und Kultur“ (Werner Jaeger, Antike und Humanismus, 1925). Das wiederum gehört aber in einen Kontext, innerhalb dessen sich historisch vor 1933 Freidenker-Verbände entweder sozialistisch oder ‘bürgerlich’ positionierten, abspalteten und wiedervereinten (vgl. Freigeistige Organisationen als Gegenstand der Religionswissenschaft: Typen, Strategien, Widersprüche, 2018). In jüngerer Zeit haben sogenannte “freireligiöse” Gemeinden den “Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands” (BFGD) mit noch 25.000 Mitgliedern 2003 verlassen und sich zur “Humanistischen Gemeinschaft Hessen” umbenannt (2015; und in Orientierung am Humanistischen Verband Deutschlands, HVD), sie begründen ihre Entscheidung folgendermaßen: “Im 19. Jahrhundert war der Begriff ‘Freireligiös’ synonym für Humanisten, Atheisten, Agnostiker, Pantheisten, Freigeister und andere religiöse und areligiöse Dissidenten. Heute werden bei dem Begriff ‘Freireligiös’ eher evangelikale Freikirchen assoziiert, statt weltlichen Humanisten, die auf die menschliche Fähigkeit vertrauen, das Leben sinnvoll zu gestalten und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, ohne Berufung auf höhere Mächte oder göttliche Kräfte” (FAQ, HuGH, 2017). Der Regionalverband Rhein-Neckar des “Bund für Geistesfreiheit Bayern” wiederum hat sich 2014 aufgrund divergierender Haltungen zum Islam abgespalten und in “Liberale Freigeister” umbenannt. Schließlich sind der “evolutionäre Humanismus” älterer grundlegender Texte der Giordano-Bruno-Stiftung sowie Ideen des Trans- und Posthumanismus zu nennen, die sich von einem Humanismus im herkömmlichen Sinn unterscheiden (z.B. World Transhumanist Association, Cyborgs e.V.). Oft wird der Mensch hier im Gegensatz zu anderen Humanismen defizitär oder als zu verbessern (Transhumanismus, evolutionärer Humanismus) oder gar zu überwinden (Posthumanismus) angesehen. Auf der anderen Seite existiert “Posthumanismus” zwar als theoretische Erwägung “transhumanistischer” Autoren, seine eigentliche Bedeutung liegt aber auf den Gebieten der Science-Fiction-Literatur und als antihumanes Schreckensbild in theologischen Warnungen vor einem Transhumanismus.
Kirchenförmigkeit. Nicht nur Bewegungen von Konfessionsfreien (siehe dort) haben das Problem, im Grunde betrifft es die meisten nichtchristlichen Religionen, dass insbesondere im Christentum früh Kirchenorganisation eng mit Mitgliedschaft verknüpft worden war, während jene im Zuge der Internationalisierung und Globalisierung sich aber nur an wenigen Modellen orientieren konnten, die sozusagen “vom Westen” inspiriert waren oder im Austausch mit ihm entwickelt worden sind. Neben dem Kirchenmodell sind das die Dachverbände neuer religiöser Bewegungen, für deren Entwicklung allerdings gerade der Reformhinduismus und buddhistische Schulen wichtig waren und sind. In der REMID-Statistik wurde das Problem bislang mit Umfeld-Angaben gelöst, welche zwischen Mitgliedern im engeren Sinn und loseren Anhängern unterscheiden. Allerdings sind das diejenigen, die dennoch am religiösen Geschehen in irgendeiner Form teilnehmen, und das meint mehr als den Konsum eines Mediums derjenigen Religion oder den einmaligen Besuch einer Veranstaltung. Nichtreligiöse Organisationen verfügen jedoch nicht immer über ein Äquivalent zu einem solchen “religiösen Geschehen”, an dem ein “Umfeld” partizipieren könnte (mit Umfeld rechnet die REMID-Statistik mit 0,4 Mio. Organisierten Konfessionsfreien). Zugleich ist die Mitgliedergröße eine Bedingung für die Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Da Einstellungsstudien in ihren Ergebnissen diesbezüglich stark variieren, lässt sich aber auch nicht genau bestimmen, wer z.B. alles “konfessionsfrei” im Sinne der organisierten Konfessionsfreien wäre.
Konfessionsfreie. Religionsstatistiken bestanden früher aus katholisch, evangelisch und “konfessionslos”. Auch die REMID-Statistik hatte ihren “Rest” entsprechend ausgewiesen. Andere sprechen ähnlich das Nichtige ins Zentrum stellend von “Nones” oder “Nichtsen”. 2017 änderten wir das in unserer Statistik, seitdem gibt es “Organisierte Konfessionsfreie” (Selbstbezeichnung) und — davon unterschieden — die Kategorie “Ohne Zuordnung”. Das ist zwar ehrlicher, da nicht gesagt werden kann, wie die Menschen in dieser Kategorie eingeschätzt werden müssten. Ob sie eher irgendwie christlich (aber nicht kirchlich), eher esoterisch (aber nicht neureligiös organisiert) oder eher konfessionsfrei (und kein Mitglied in einem Verband) sein mögen. Aber auf der anderen Seite ignoriert es, dass Kirchenaustritte und Studien zur Bevölkerung Ostdeutschlands nahelegen, dass durchaus ca. 20 Millionen mehr oder weniger “säkular” eingestellt sein dürften. Neuere Studien versuchen allerdings, eine Identifikation mit dem Christentum trotz Distanz zu religiöser Praxis und Glauben als Kriterium für Religionszugehörigkeit zu bestimmen. Mit dieser Methode lassen sich Zahlen zu Konfessionsfreien (im Sinne der zuerst besprochenen Rest-Kategorie) nach unten korrigieren. Der Begriff lehnt sich an den christlichen der Konfession an, rechtlich an den der Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Manchmal galten für Organisierte Konfessionsfreie nur Angehörige solcher als Körperschaften öffentlichen Rechts anerkannter Religionsgemeinschaften als Adressat vorgetragener Kritik (etwa in den ersten Jahren der fowid-Statistik). Historisch hängt das damit zusammen, dass die Unabhängigkeit von der Kirche der Unabhängigkeit vom Christentum und schließlich der Freiheit von Religion (im negativen Sinn) vorläufig war. Simplifizierend reichen “freireligiöse” Verbände weiter zurück als “freigeistige” und beide bilden religionsgeschichtlich sozusagen einen säkular werdenden Arm aus den protestantischen Erweckungsbewegungen heraus, die wiederum in Deutschland als “freikirchlich” bezeichnet werden (vgl. Freigeistige Organisationen als Gegenstand der Religionswissenschaft: Typen, Strategien, Widersprüche, 2018). Gerade diese Heterogenität der Ursprünge und Profile erschwert auch die Etablierung ansprechenderer eigener, positiv gefüllter Selbstbezeichnungen für die “säkulare” Szene der organisierten “Konfessionsfreien” insgesamt.
‘Kulturmarxismus’. “ ‘Cultural Marxism’ oder ‘Kulturmarxismus’ ist in den USA bereits ein gängiger Kampfslogan, der in der neuen Rechten zum ideologischen Hintergrund ihrer Weltsicht gehört. Nach dieser Deutung heißt es in neurechten Kreisen in den USA, dass angeblich mit dem Emigranten der Frankfurter Schule in den 1930er Jahren – wie Theodor Adorno und Max Horkheimer – ein politischer Mainstream in den USA entstanden sei, der als ‘Kulturmarxismus’ charakterisiert wird. Dies habe sich vor allem an den Universitäten Berkeley in Kalifornien und Columbia in New York ausgewirkt”, erläutert der Politologe und Rechtsextremismus-Forscher Thomas Grumke 2016 gegenüber Deutschlandfunk Kultur. In Europa gehört der rechtsextreme Massenmörder Anders Behring Breivik zu denjenigen, welche dieses Schlagwort zuerst rezipierten. Es dürfte mit ihrer Faschismusforschung zusammenhängen, dass “Emigranten der Frankfurter Schule” beispielhaft genannt werden (für sie s.a. das Stichwort “Religionskritik”). Das genannte Narrativ ist aus diversen Gründen falsch. Ausgerechnet Adorno und Horkheimer als “Marxisten” engzuführen, dehnt diesen Begriff aus, weit über diejenigen hinausreichend, welche bei Kommentierungen bestimmter Ideen von Karl Marx und Friedrich Engels beginnend tatsächlich an einer utopischen Ausgestaltung eines sozialistischen oder kommunistischen Projekts arbeiten. Auch werden die Distanzierungen der Frankfurter Schule von der Studierendenbewegung 1968 damit ausgeblendet. Falsch ist dabei auch die Vorstellung, solche emmigrierten Linken hätten eine gesellschaftlich-kulturelle Hegemonie eines neuen Mainstreams bewirkt. Sie erinnert komplementär an diejenige Vorstellung früherer deutchsprachiger linker, antiimperialistischer Kreise, nach denen gerade führende Wissenschaftler unter den Nazis nicht nur in Amerika weiterwirkten, sondern ähnlich zum Grund dafür stilisiert worden waren, Amerika als den quasi-faschistischen Kopf eines kapitalistischen Imperiums zu betrachten. Faktisch waren gerade die 1950er Jahre durch eine stark antikommunistische Politik in der sogenannten McCarthy-Ära gekennzeichnet, die sich durch Verfolgung bereits von “Sympathisanten” auszeichnete. Die nach 1968 vorübergehend bestehenden alternativen Milieus wurden nie “Mainstream”, weder in Amerika noch in Europa. Das rechte Narrativ aber lässt sich in ein Verhältnis setzen mit dem Konzept eines “progressiven Neoliberalismus” nach Nancy Fraser: “Der progressive Neoliberalismus hat sich in den Vereinigten Staaten seit grob gesagt drei Jahrzehnten herausgebildet und die Wahl Bill Clintons im Jahr 1992 bedeutete so etwas wie seine Ratifizierung. Clinton war der eigentliche Architekt und Bannerträger der ‘New Democrats’, des US-Gegenstücks zu Tony Blairs ‘New Labour’. Anstelle der New-Deal-Koalition aus gewerkschaftlich organisierten Industriearbeitern, Afroamerikanern und städtischen Mittelschichten bildete er ein neues Bündnis aus Unternehmern, Vorortbewohnern, neuen sozialen Bewegungen und jungen Leuten. Sie alle bewiesen ihre Fortschrittlichkeit, indem sie auf Vielfalt, Multikulturalismus und Frauenrechte schworen” (“Für eine neue Linke oder: Das Ende des progressiven Neoliberalismus”, Blätter für deutsche und internationale Politik, 2017). Diese mit antiimperialistischen Elementen gefärbte Paraphrase Frasers bezieht sich also auf Entwicklungen einer ökonomischen Erschließung einiger Elemente derjenigen alternativen Milieus, die parallel ihren Niedergang erleben. Die daneben getätigten Äußerungen über die Rolle des “Clintonismus” bzw. in Andeutung von Tony Blairs “New Labour” global zu derjenigen der Sozialdemokratie übergehen dabei wahrscheinlich, dass es auch andere Gründe dafür geben könnte, dass herkömmliche sozialdemokratische Politik abhanden gekommen ist. Zum Thema Verschwörungsmythen vergleiche das Stichwort “Rationale Methode” und die dort genannten weiterführenden Links.
Naturalismus. Im Interview mit Stefan Schröder geht es an einer Stelle darum, “was ‘Naturalismus’ um 1800 bedeutet hat, etwa in dem Werk ‘Ueber die Wahl zwischen Naturalismus, Atheismus und Christenthum’ von Daniel A. Eichhorn (1812), nämlich eher einen von Spinoza und anderem beeinflussten Pan(en)theismus”. Zwar betreiben moderne Naturalist*innen eine Geschichtsschreibung des Naturalismus, welche ihnen wichtige Vordenker*innen versammeln möchte und es da nicht immer so philosophiegeschichtlich genau nimmt, denn “einen ‘Naturalismus’ im engeren Sinne” müsste man aber “eher um 1900 verorten: der Übergang von mechanistischen, aber weiterhin spekulativen Weltbildern zu biologisch und physikalisch ‘modern’ grundierten Philosophien, der Wiener Kreis, die entsprechende Kunstepoche” (vgl. Freigeistige Organisationen als Gegenstand der Religionswissenschaft: Typen, Strategien, Widersprüche, 2018). Um das ein wenig zu erläutern, sei der beim Stichwort “Atheismus” (siehe dort) zitierte Satz aus dem Kontext der Giordano-Bruno-Stiftung, “dass weder Götter noch Geister noch Kobolde oder Dämonen in die Naturgesetze eingreifen”, noch einmal Thema. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich in England der sogenannte Deismus. Statt (wie im Theismus) an einen persönlichen Gott zu glauben, der ‘eingreift’ in die Natur, habe Gott nur mehr die Welt erschaffen wie ein Uhrwerk, das fortan mechanisch nach den Naturgesetzen funktioniere. Als eine Art Kompromiss schränkten manche evangelischen Theologen das Wirken Gottes in Reaktion auf eine historisch begrenzte “Zeit der Wunder” ein (die im 18. Jahrhundert auf diese Weise die ihnen Konkurrenz machenden sogenannten “Schwärmer” und andere neureligiöse Phänomene zu delegitimieren suchten). Auf der anderen Seite zeigt das aber auch, dass die eigentliche Störgröße des Naturalismus zu dieser Zeit noch eher die Nähe zur “heidnisch” wirkenden Naturverehrung, gedacht in Gestalt eines Pantheismus, war, die in die Form einer Physikotheologie genannten legitimen Form der Schöpfungsverehrung gemäßigt werden sollte. Gott musste sozusagen noch vollständig aus der Natur vertrieben werden, zunächst durch den Materialismus sowie die Naturgeschichtsschreibung und Evolutionstheorie — was “die Schöpfung” betrifft. Eine letzte Zutat ist allerdings das Beharren auf einem tendenziell ausschließlich naturwissenschaftlichen Vorgehen in der Beschreibung der Welt, die schließlich naturalistischen Positionen ab dem 20. Jahrhundert zueigen ist (the Brights, die genannte GBS). Der dahinterliegende Positivismusstreit würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Während das ursprüngliche Anliegen verständlich ist, durch Experiment und Falsifikation die den theologischen Sätzen ähnlichen geisteswissenschaftlichen Sätze zu entlarven, die also unhinterfragte metaphysische Annahmen enthalten, hat sich eine entsprechende kritische Tradition auf geisteswissenschaftlicher Seite entwickelt, etwa sogenannte “naturalistische Fehlschlüsse” zu entlarven, also das vorschnelle Schließen auf eine unveränderliche “Natur” von etwas, welche als Sein zugleich im Sinne eines Sollens normativ gedeutet wird.
Rationale Methode. Eigentlich meint die Methode des rationalen Schließens die Regeln, nach denen ein logisches Kalkül gültig ist. Es geht also darum, wie argumentiert wird, nicht welche Inhalte verhandelt werden. Dennoch hat sich eine Rede von der “Irrationalität” etabliert, welche gerade bestimmte Inhalte meint. Dabei können auch solche Inhalte zum Gegenstand von Prämissen werden, die als vorgegebene Sätze der Ausgangspunkt eines logischen Schließens auf andere Sätze darstellen. Was aber in den Prämissen steht, ist vorausgesetzt und eben gerade nicht Resultat der rationalen Methode. Damit ist es aber auch noch nicht irrational im engen Sinn. Das kann erst über Folgesätze gesagt werden, die mittels einer Methode, die gerade kein gültiges logisches Verfahren darstellt, ermittelt worden sind. Während etwa “Kunstwerke haben einen Urheber” und “Die Mona Lisa ist ein Kunstwerk” als Prämissen den einfachen Schluss zulassen, dass auch die “Mona Lisa” einen Urheber hat, mag eine alternative zweite Prämisse “Die Natur ist ein Kunstwerk” zwar mit dem Ergebnis, sie müsse einen Urheber haben, daherkommen, aber damit ist gerade kein Gottesbeweis gelungen, sondern diese vorgegebene zweite Prämisse enthält bereits etwas, was man empirisch weder falsifizieren noch verifizieren kann. Diese wiederum experimentelle Methode ist im übrigen etwas völlig Anderes als die der Logik entlehnte rationale Methode. Einer experimentellen Überprüfung entzieht sich allerdings auch die erste Prämisse “Kunstwerke haben einen Urheber”, da es sich um eine Bestimmung a priori handelt: Kunstwerke sind per definitionem solche Dinge, die einen Urheber haben. Der Satz “Kunstwerke sind grün” dagegen lässt sich leicht falsifizieren, und wenn man dann eben ein rotes Kunstwerk malt. Aber schließe ich nun aus diesem Satz und dem zweiten Satz “Die Natur ist ein Kunstwerk” darauf, dass die Natur “grün” sei, dann ist das also ein formal gültiges rational-logisches Kalkül, obwohl einer der Ausgangssätze naturwissenschaftlich widerlegbar ist (und trotzdem kommt scheinbar ein stimmiges Ergebnis raus). Dass dennoch experimentelle Methode und die rationale Methode logischen Schließens heute im populären Sprachgebrauch nicht unterschieden werden, sondern eher die Ergebnisse historischer Auseinandersetzungen als “rational” oder “irrational” erinnert werden, hängt damit zusammen, dass Philosophie heute nicht mehr den Stellenwert in der Gesellschaft hat wie noch um 1800. Schließlich gibt es durchaus die Möglichkeit Sätze aus anderen Sätzen zu erschließen, welche auf fehlerhaften logischen Kalkülen aufbauen oder statt logischen Regeln werden assoziative Ansätze gewählt. Etwa weil eine Pflanze aussieht wie ein Herz, sei sie auch als Medizin in Herzensangelegenheiten geeignet. René Descartes und dem 17. Jahrhundert wird zumeist das Paradigma eines kritischen Rationalismus zugeschrieben. Innerhalb der Aufklärungsdebatten führte der Streit in Auseinandersetzung mit gerade den theologischen und magisch-esoterischen Sätzen dazu, das eine oder andere fehlerhafte Kalkül aufzuzeigen (und damit im Resultat den Abstraktionsgrad religiöser Anschauungen zu steigern und magisches bzw. assoziatives Denken in Tendenz eher verächtlich erscheinen zu lassen). Auf höherer Ebene können aber auch die Philosophien der Aufklärer selbst wiederum fehlerhafte logische Kalküle enthalten, wie etwa bei Jean-Jacques Rousseau: Begriffe wie “Natur” werden zweifach definiert und, obwohl die beiden verschiedenen Begriffe einer “Natur” sich gegenseitig ausschließen, können sie, da sie in den verwendeten Sätzen ununterscheidbar sind, logische Schlüsse erlauben, die nicht möglich wären, hätte Rousseau zwei unterschiedliche Wörter benutzt. Ein modernes Beispiel für Kalküle, welche logische Fehler mit assoziativ-magischen Schlüssen kombinieren, sind Verschwörungsmythen. Auch hier gilt, ein rational-logisches Kalkül, das eine Verschwörung — etwa im Maßstab des Umfanges der Mörder eines Julius Cäsar — dann sogar nachweist, ist möglich, aber das, was empirisch an Verschwörungsmythen vorhanden ist, muss gegen diese Regeln verstoßen, um den Weltmaßstab einer grundsätzlichen (antisemitischen) Interpretation politischer Verhältnisse zu erreichen.
Relativität aller Wahrheit. Ursprünglich eine Variation eines Satzes des Vorsokratikers Protagoras: “Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Derjenigen, die sind, so wie sie sind. Derjenigen, die nicht sind, so wie sie nicht sind” (zitiert von Platon im Theaitetos 152a). Im Grunde handelt es sich um einen konsequenten Agnostizismus (siehe dort). Die älteste Belegstelle bei books.google.com stammt von 1891, die “Transcendentalpsychologie. Ein kritisch-philosophischer Entwurf” von Otto Schneider (Leipzig: Wilhelm Friedrich), S. 429f.: “Zwar auch in dieser Erkenntnis [das ‘Selbstbewusstsein’ betreffend, Anm. C.W.] haben das Altertum und das Mittelalter der Neuzeit vorgearbeitet, Protagoras durch seine drei kecken Sätze von dem Menschen als dem Mass aller Dinge, von dem Schein allen Seins und der Relativität aller Wahrheit nicht minder als Platon durch sein Ausgehen von der Thatsache des Wissens”. Auch im Kontext der Freimaurerei bekam der Satz des Protagoras Bedeutung: “Das Erkennen der Relativität jeder Wahrheit heißt aber zugleich die Möglichkeit, ja geradezu die Regelmäßigkeit des Irrens bei allem menschlichen Weg- und Zielstreben zuzugeben. Diese Erkenntnis ist die notwendige Voraussetzung aller Toleranz, aller Glaubens‑, Gewissens- und Geistesfreiheit, dieser wesentlichen Kriterien der Demokratie als Kulturform” (Unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1932, Wien/München, 1980, Sp. 331, Stichwort “Demokratie”). Allerdings sei die Freimaurerei hier nur als eine besondere kulturelle Praxis genannt, die im 18. Jahrhundert einen der Orte darstellte, wo Ideen der Aufklärung (siehe dort) früh diskutiert worden sind — insbesondere bevor sich eine entsprechende Salonkultur entwickelt hatte und zuweilen noch mit Repression zu rechnen war. Bezüglich Verschwörungsmythen sei auf das Stichwort “rationale Methode” und die dort angeführten Links verwiesen.

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Religionskritik. Kritik an bestimmten Formen des Götterglaubens oder entsprechend bestimmten religiös-magischen Formen von Heilkunde gibt es bereits in der römisch-griechischen Antike (oder z.B. auch in der chinesischen). Eine eher moralische, aber in Tendenz bereits privilegienkritische Religionskritik liefert der frühneuzeitliche Humanismus um 1500 (siehe unter “Humanismus”). Mit Privilegien sind Vorrechte der religiösen Experten, des Klerus, gemeint, und zu dieser Zeit insbesondere ihre missbräuchliche Verwendung. Grundsätzlicher wurde Religionskritik aber erst mit der Aufklärung (siehe dort). Allerdings ging es eben gerade auch noch nicht um den “Atheismus” (siehe dort), auch in freimaurerischen Dokumenten des 18. Jahrhunderts ist der “Gottesleugner” noch eine negative Figur (“Der Maurer ist als Maurer verpflichtet, dem Sittengesetz zu gehorchen; und wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein engstirniger Gottesleugner, noch ein bindungsloser Freigeist sein”, “Alte Pflichten”, 1723). Politisch waren es die Macht von Klerus und Adel in der feudalen Gesellschaft bzw. davon abgeleitet die Privilegien der Kirchen in der späteren bürgerlichen Gesellschaft, aber auch eine damit verbundene grundsätzliche Aufarbeitung und Reform traditioneller Vorstellungen von Recht, Familie und schließlich gesellschaftlichem Umgang. Für Wissenschaft und öffentliche Debatte wurde es wichtig, dass sie ihre Argumentationsweise auf ihre Rationalität hin überprüfen (siehe “rationale Methode”). Während zwar das 18. Jahrhundert bereits die religiöse Legitimation von Autorität hinterfragte, gründsätzlichere Zweifel am Prinzip des Autoritarismus (bis heute ist das “Argument einer Autorität”, argumentum ad verecundiam, umstritten, aber nicht geächtet) erfolgten allerdings erst durch und nach Sigmund Freud, Erich Fromm oder Theodor W. Adorno als Reflexion über den Faschismus der Nationalsozialisten im 20. Jahrhundert. Demgegenüber früh werden Bestrafungen im Jenseits zum Gegenstand der Kritik — um 1800 in Form von Gerichtsfällen, bei denen es um Kindsmörder ging, die angaben, nur deshalb ein Kind getötet zu haben, um hingerichtet zu werden. Ein Selbstmord hätte zur ewigen Verdammnis geführt, ein Kindsmord nur ins Fegefeuer (vgl. z.B.: Jürgen Martschukat, Ein Freitod durch die Hand des Henkers. Erörterungen zur Komplementarität von Diskursen und Praktiken am Beispiel von „Mord aus Lebens-Überdruß“ und Todesstrafe im 18. Jahrhundert; in: Zeitschrift für Historische Forschung, Nr. 27, 2000, Heft 1, S. 53–74). Allerdings ist dennoch bis heute zweifelhaft, inwiefern solche Höllenstrafen o.ä. mit negativem psychischen Wohlbefinden korrelieren. Zwar können Anhänger von bestimmten Religionsgemeinschaften, die besonders mit diesem Element arbeiten, durchaus hohe Werte auf z.B. Autoritarismusskalen haben, das kann aber auch für Personen gelten, die keiner Religionsgemeinschaft angehören. Zumal eben Höllenstrafen in den meisten Fällen weiterhin mit den Normen säkularer Rechtssprechung ineinsfallen, mit den entsprechenden Ausnahmen bei bestimmten Gemeinschaften in Bezug auf Homosexualität oder andere symbolisch ausgewählten Elemente einer jüngeren Moderne. Unter heutigen Bedingungen einer grundsätzlich pluralistischen Gesellschaft, die eine Vielzahl religiöser Gemeinschaften enthält, kann man mit Heinz-Werner Kubitza zu dem Schluss kommen, dass religionskritische Schriften “Mangelware” sind, “[u]nd es gibt auch kaum Verlage, die daran interessiert sind, weil man sich damit leicht das viel größere religiöse Klientel vergrault”. Man kann aber auch fragen, ob Religionskritik in ihrer klassischen Form in säkularen Gesellschaften nicht den emanzipatorischen Wert haben könnte wie in theokratischen. Daneben stehen Ansätze einer “wissenschaftlichen Religionskritik”, “[d]ie wissenschaftliche Religionskritik könnte hier tatsächlich einen Beitrag zur Versachlichung leisten, weil von ihr die essentialistische Vorstellung, Religionen seien so oder so, als beliebig und historisch unhaltbar aufgewiesen wird” (Interview mit Horst Junginger, Neue Stiftungsprofessur in Leipzig: Religionskritik als Gesellschaftskritik?, 2018). Und schließlich mit ähnlichen Schlüsselbegriffen zuweilen eine entsprechende Reform der Praxis: “Anzusetzen ist also nicht bei Religionskritik, sondern bei einer allgemeinen Gesellschaftskritik” (Stefan Schröder im Interview in Bezug auf seine Forschung über u.a. den HVD, Freigeistige Organisationen als Gegenstand der Religionswissenschaft: Typen, Strategien, Widersprüche, 2018).
Säkular. Die Differenz von Profan und Heilig, Kirchlich und Weltlich kann als besondere Entwicklung ausgehend von westlich-christlicher Tradition verstanden werden, die in der Zwei-Schwerter-Lehre bis in das 14. Jahrhundert das Verhältnis von kaiserlicher und päpstlicher Macht bestimmte. Die Bezeichnung beruht auf einer allegorischen Exegese von Lukas 22,38 aus der Frühphase des Investiturstreits im 11. Jahrhundert, wo es über die Apostel heißt: “Sie sprachen aber: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter. Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug”. Darauf aufbauend entstand das unabhängige Nebeneinander von kirchlichem und weltlichen Recht. “Säkularisation” bedeutete im Zug der Reformation, dass kirchliche Besitztümer, insbesondere im von Luther besonders kritisierten Klosterwesen, in weltlichen Besitz oder weltliche Nutzung übergingen. Als eine “Säkularisierung” gilt im engeren Sinn ein verweltlichender Akt, wie die Abschaffung der Staatsreligion, der mit Machteinbußen religiöser Institutionen einhergeht. Andere historische säkularisierende Akte sind z.B. die Einführung einer standesamtlichen Ehe unabhängig von der Kirche oder die Einführung öffentlicher Friedhöfe. Säkularisierungstheorien postulierten ein Fortschreiten der geistigen Entwicklung und fügten Religionen und Philosophien der Menschheit in ein evolutionistisches Schema ein, nach dem sie sich von vermeintlich “niederen” zu “höheren” Formen entwickelten, so dass heute demnach die Konfessionsfreien (siehe dort) den höchsten Stand der Entwicklung ausmachen. Für Soziologie und Religionswissenschaft ist Max Weber hier der grundlegende Autor schlechthin, und das Schlagwort einer “Entzauberung der Welt”. Und dementsprechend geht es heute um Modifikationen seiner Thesen, inwiefern nicht eher eine “Wiederkehr” bzw. “Vielfalt der Religionen”, ein neuer Pluralismus, die aktuelle Entwicklung besser beschreibe. Abschließend sei noch zu “Säkularismus” angeführt, dass dieser Begriff je nach Verwendung Unterschiedliches bedeutet. Im englischsprachigen Raum handelt es sich eher um eine Selbstbezeichnung entsprechender Anschauungen, die auf den Agnostiker George Jacob Holyoake (Reasoner, 10. Dezember 1851, S. 62) zurückgeht; im deutschsprachigen Raum geht der Begriff auf den Theologen Friedrich Gogarten zurück (1887–1967). Dieser gehörte den “Deutschen Christen” an, und sein Programm ist mit “konservative politische Romantik” (Theodor Strom, Berlin 1961) eher verharmlosend umschrieben. Auch wenn manche von einer “Aussöhnung” mit der Moderne sprechen, ist die Haltung deutlich antimodernistisch: “Nur der Säkularismus, d.h. das ausschließlich auf die Welt fixierte Wirklichkeitsverständnis ist zu bekämpfen” (nach Wolf Krötke, Die “dialektische Theologie”: Friedrich Gogarten und das Problem der politischen Theologie, 2015).
Kris Wagenseil

Als Ergänzung sei auf den Sammelband “Verfolgter Unglaube. Atheismus und gesellschaftliche Exklusion in historischer Perspektive”, hrsg. von Susan Richter, Frankfurt / New York: campus 2018) hingewiesen.