REMID
Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V.
Der Begriff “Aberglaube” wird gemeinhin im Zusammenhang mit Überzeugungen oder Praktiken verwendet, die als irrationale oder abweichende Glaubensvorstellungen von den allgemein anerkannten religiösen Lehren einer bestimmten Kultur oder Tradition betrachtet werden.
Jedoch ist es wichtig zu betonen, dass die Definition von “Aberglauben” stark von kulturellen, historischen und soziologischen Kontexten abhängt. Was in einer bestimmten Kultur als Aberglaube betrachtet wird, kann in einer anderen Kultur als fester Bestandteil der religiösen Praxis angesehen werden.
Begriff aus der Theologie
Bereits das römische Recht nannte “illegitime” Kultpraxen superstitio. Allerdings gibt es nunmal keine “objektiven” Kriterien für einen “guten” Glauben. Jeder Versuch, zwischen “echter” oder “wahrer” Religion und “Aberglauben” zu unterscheiden, nimmt selbst bereits Grundsätze eines religiösen Weltbildes vorweg. Eine pluralistische Gesellschaft, die Religionsfreiheit und Toleranz hochhalten möchte, kann nicht länger mit dem Argument des “Aberglaubens” operieren. Insofern sollten auch Skeptiker*innen übersinnlicher Annahmen genau überlegen, mit welchem Vokabular sie ihre Kritik vorbringen, denn ansonsten liefern sie nebenbei eine versteckte Theologie, welche bestimmte Religionen (das Christentum, die “Weltreligionen”) hervorhebt (und mit deren Vertretern gemeinsam gegen “Aberglauben” ins Feld zieht).
Text: Kris Wagenseil, Aktualisierung Mona Stumpe (2023)