REMID
Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V.
Es ist aus feinster Pasta gemacht, besteht aus zahlreichen Fleischbällchen, hat Stielaugen und kann fliegen. Es ist der Schöpfer der Welt und verspricht dir einen Biervulkan und einen Stripper:innen-Fabrik im Jenseits – Das fliegende Spaghettimonster.
Ernsthaft?
Genau das ist hier die Frage.
Das klingt alles maximal absurd, aber der sogenannte Pastafarismus hat bereits Millionen von Anhängenden. Handelt es sich um eine Religion oder eine bloße Satire? Damit mussten sich die Gerichte beschäftigen. In diesem Blog werfen wir einen Blick auf die Urteile der Gerichte zum Status einer Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaft.
Was ist das Fliegende Spaghettimonster?
Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters (KdFSM) wurde vom US-amerikanischen Physiker Bobby Henderson ins Leben gerufen. Alles begann im Jahr 2005, als im Bundesstaat Kansas der Kreationismus gleichberechtigt zur Evolutionstheorie in Schulen gelehrt werden sollte. In einem offenen Brief an das Schulministerium von Kansas forderte Henderson, dass auch die „Schöpfungslehre“ des Fliegenden Spaghettimonsters unterrichtet werden sollte. Dieses habe sich ihm offenbart und erklärt, wie die Welt wirklich entstanden ist. Henderson legte dem Brief sogar eine Zeichnung des Spaghettimonsters bei.

FSM_himself.jpg von Bobby Henderson, lizenziert unter CC BY-NC-SA 2.0.
Aus der satirischen Kritik wurde schnell eine Bewegung, die heute in vielen Ländern Anhängende gefunden hat.
Woran glauben die Pastafari?
Die Pastafari bekennen sich zu Werten, die man grob als humanistisch-säkular bezeichnen kann. In Deutschland steht die KdFSMD der Giordano Bruno Stiftung nahe und bekennt sich zum Evolutionären Humanismus. Auf der Website des KdFSM Deutschland e.V. bezeichnen sie sich als „wissenschaftliche Religion“.
Darüber hinaus glauben Pastafari an:
- Die Piraten als ursprüngliche Pastafari – sie werden als friedliche Missionare betrachtet.
- Ablehnung von Dogmen – Denkverbote behindern die gesellschaftliche Entwicklung.
- Die Acht „Am Liebsten Wäre Mirs“ – als pastafarische moralische Leitlinien.
- Der Himmel mit Bier-Vulkan und Stripper:innen-Fabrik – das pastafarische Paradies.
- Die Nudelsieb-Kopfbedeckung – ein religiöses Symbol.
- Ramen als heiligen Gruß – Wortspiel aus „Amen“ und der Nudelsorte Ramen.
Natürlich glauben nicht alle Pastafari daran, wie bei anderen Glaubenssystemen gibt es bei der KdFSM eine Varianz in Glaubensfragen.
Glaubensbekenntnis der Pastafari
Das Glaubensbekenntnis der KdFSMD liest sich so:
Ich glaube an das Fliegende Spaghettimonster,
die Mutter, der niemals die Energie ausgeht,
die Gebärende des sphärenklingenden Himmels und der evolutionsfreien Erde.Und glaube an Bobby Henderson, seinen Propheten,
empfangen durch das World Wide Web,
geboren von seiner lieben Mama,
gelitten unter Kreationisten,
genervt, gelangweilt und veralbert,
hinabgestiegen in das Reich des Fundamentalismus,
am dritten Tage aufgestanden zwischen Deppen,
seine Website angegangen;
sitzend vor seinem Laptop,
dem allezeit flatline;
von dort wird er kommen,
zu parodieren die Dummen und Drögen.Ich glaube an das World Wide Web
mit dem heiligen Pastafaritum,
Gemeinschaft der Pastafari und ihres Monsters,
Vergebung der Torheit,
an den Bier-Vulkan und an die Stripper-Fabrik.RAmen
Aber was hat die Pastafari vor Gericht gebracht? Sie selbst!
Religion oder Parodie — der Rechtsstreit
Zwei interessante Fälle aus Deutschland verdeutlichen die Problematik:
Fall 1: Die Straßenschilder von Templin
In der brandenburgischen Stadt Templin wollte der KdFSM-Vorsitzende Rüdiger Weida (auch bekannt als „Bruder Spaghettus“) Straßenschilder aufstellen, die auf die wöchentliche „Nudelmesse“ hinweisen sollten – ähnlich wie es für christliche Gottesdienste üblich ist. Die Stadt verbot dies mit der Begründung, die KdFSM sei keine anerkannte Weltanschauungsgemeinschaft. Weida klagte, verlor aber vor dem LG Frankfurt/Oder und dem Brandenburgischen OLG. Eine Verfassungsbeschwerde wurde 2018 vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.

Quelle: https://www.spaghettimonster.org/about/
Fall 2: Die Kopfbedeckung auf dem Ausweis
In einem weiteren Fall wollte Weida auf seinem Personalausweis mit einer pastafarischen Kopfbedeckung (einem Piraten-Bandana) abgebildet werden. Er berief sich dabei auf die Möglichkeit, aus religiösen Gründen eine Ausnahme vom Bedeckungsverbot zu erhalten.
Auch diese Klage wurde 2015 vom VG Potsdam abgewiesen. Das OVG Hamburg bestätigte 2018 diese Entscheidung und urteilte, dass das Bekenntnis zum Pastafarianismus keine Ausnahme vom Verbot der Kopfbedeckung auf Ausweisbildern rechtfertige.
Wie begründen die Gerichte ihre Entscheidung?
Die rechtliche Definition von Religion und Weltanschauung
In beiden Fällen sprachen die Gerichte der KdFSM nicht den Status einer Weltanschauungsgemeinschaft zu. Aber wie definieren Gerichte überhaupt eine Religion oder Weltanschauung?
Laut den Gerichtsurteilen ist eine Religion oder Weltanschauung „eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens“1. Der Unterschied: Eine Religion bezieht sich auf eine transzendente Wirklichkeit, während eine Weltanschauung sich auf innerweltliche Bezüge beschränkt.
Eine Weltanschauung wird als „ein Gedankensystem, das sich mit Fragen nach dem Sinnganzen der Welt und insbesondere des Lebens der Menschen in dieser Welt befasst und zu sinnentsprechenden Werturteilen hinführt2“ definiert. Dabei muss das System eine „hinreichende Konsistenz, eine ähnliche Geschlossenheit und Breite“ aufweisen, wie sie den bekannten Religionen im „abendländischen Kulturkreis3“ zu eigen ist.
Das Spaghettimonster kommt nicht in den Club der Weltanschauungsgemeinschaften
Die Gericht Brandenburg argumentierte in seinem Urteil vom 02.08.2017, dass die KdFSM diese Kriterien nicht erfülle. Im O‑Ton heißt es:
- „Überzeugungen zu einzelnen Teilaspekten des Lebens — z.B. zum Gedanken der Toleranz — mögen im Einzelfall zwar Ausdruck einer weltanschaulichen Gesamtkonzeption sein; ohne die Einbettung in einen entsprechenden Zusammenhang vermögen sie hingegen den Begriff Weltanschauung nicht auszufüllen.“
- „Der Satzung des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass der Verein von einem gemeinsamen weltanschaulichen Bekenntnis im Sinne positiver Überzeugungen getragen wird. Nicht die Welterklärung oder die Erklärung der Existenz des Menschen stehen im Mittelpunkt des Wirkens des Vereins …“
- „Allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft bekenne sich zu einer Religion und sei Religionsgemeinschaft, genügt nicht. Vielmehr muss es sich auch tatsächlich, nach geistigem Inhalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religion und Religionsgemeinschaft handeln“

Was sagen die Gerichte?
Das V Potzdam urteilt „reine Religionsparodie“.
„Ein ernsthaftes Bemühen, den Menschen in einen jenseitigen Zusammenhang zu stellen … und eine sinnhafte Orientierung des Menschen an eigenen Selbst- und Weltvorstellungen zu geben … kann ihren ins Absurde gesteigerten Glaubenssätzen nicht entnommen werden.“
Das Gericht bezieht sich bei der Urteilsbegründung auch auf die Inhalte der Website der KdFSMD:
„Vielmehr bezeichnet sich der Kläger … selbst (nur) als Weltanschauungsgemeinschaft, er benutzt … die Religionssatire des Fliegenden Spaghettimonsters (…) als künstlerisches Mittel (…), um in satiretypischer Art intolerante und dogmatische Anschauungen und Handlungen zu überhöhen und zu hinterfragen … Eine tatsächliche Verbundenheit mit einer Gottheit geht hieraus nicht hervor.“
„Danach fehlt der Kirche des FSM zweifelsfrei jegliche für eine Religion charakteristische Transzendenz“. (Zitate aus Urteil vom 13.11.2015)
Der Hammer ist gefallen.
Was sagt die Religionswissenschaft?
In der Religionswissenschaft tut man sich schwer, die Begriffe „Religion“ oder „Weltanschauung“ zu definieren. Ganz zu schweigen davon, zu entscheiden, welche Gruppe als Religion gilt. Ist Religion ein sui generis, eine pragmatische analytische Kategorie, ein Kollateralphänomen unserer evolutionären Vergangenheit oder doch nur ein kolonialistisches, soziales Konstrukt der westlichen Akademia?4
Das ist immer noch ein Diskurs mit offenem Ende.
Da sind die Gerichte rabiater. Zugegeben, sie haben nicht den „Luxus“ einer Geisteswissenschaft, Dekaden andauernde theoretische Debatten zu führen – sie müssen Entscheidungen treffen und damit (soziale) Tatsachen schaffen. Diesen Prozess könnte man religionswissenschaftlich erforschen.
Dispositiv: Das Netzwerk aus Wissen und Macht
Aus religionswissenschaftlicher Perspektive wäre es ein interessantes Forschungsunterfangen, zu analysieren, welche diskursiven und non-diskursiven Strukturen die Entscheidung der Gerichte beeinflusst haben könnten. Michel Foucault sprach von einem Dispositiv. Er beschreibt damit ein Netzwerk aus Wissen und Macht. In seinen Worten ist ein Dispositiv ein „heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfaßt … Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann”.5
Eine Dispositivanalyse6 könnte diesen Wissens-Macht-Komplex aufzeigen. Eines ist beispielsweise offensichtlich: Die Gerichte haben Entscheidungszwang, sie können Verhandlungen nicht einfach unbegründet ablehnen – Entscheidungen müssen getroffen werden.
Auf abstrakter Ebene haben die Gerichte nicht nur über den Status der KdFSM verhandelt, sondern auf gesellschaftlichem Niveau auch die Frage nach Pluralität/Diversität auf der einen Seite und Ordnung/Stabilität auf der anderen. Im kulturellen Milieu liberaler Demokratien entwickelte sich ein religiöser und weltanschaulicher Pluralismus, der die Frage aufwirft, wer bekommt, welche Rechte und warum. Man könnte hier von einem religiösen Pluralitätsdispositiv sprechen. Dieses zu untersuchen, bildet einen Ansatzpunkt für weitere Forschung.
Was denkst du über die Pastafari, Religion oder Parodie, beides … oder etwas ganz anderes?
Mario Csonka, B.A. 2025
Dieser Blogartikel entstand im Rahmen der Spring School RelWissKomm 2025
Quellen:
- https://openjur.de/u/875031.html ↩︎
- https://openjur.de/u/2254566.html ↩︎
- https://openjur.de/u/2254566.html ↩︎
- McCutcheon, R. T. (1997). Manufacturing religion: The discourse on sui generis religion and the politics of nostalgia. New York: Oxford University Press. ↩︎
- Foucault, Michel (1978): Ein Spiel um die Psychoanalyse. Gespräch mit Angehörigen des Departement de Psychoanalyse der Universität Paris/ Vincennes, in: Dispositive der Macht – über Sexualität, Wissen und Wahrheit, Berlin: Merve, S. 118–175. ↩︎
- Einführend: Bührmann, A. D. & Schneider, W., (2008). Von Diskurs zum Dispositiv. Eine Einführung in die Diskursanalyse. Bielefeld: Transcript; und Jäger, S. (2004). Kritische Diskursanalyse: Eine Einführung. Münster: Unrast. ↩︎
Weiterführende Literatur:
- Henderson, B. (2008). Das Evangelium des fliegenden Spaghettimonsters. Goldmann Verlag
- Wakonigg, D., & Rath, W. (2017). Das Fliegende Spaghettimonster-Religion oder Religionsparodie?. Alibri.
- Zentgraf A., (2011). Das Fliegendes Spaghettimonster“ – Eine Religion!?. Grin Verlag.
- Religions-Satire: “Gepriesen sei das Spaghetti-Monster!” | DER SPIEGEL
https://www.youtube.com/watch?v=CiEXtp7-c9M