Zwischen Moral und Freiheit: Purity Culture in deutschen Freikirchen

Der Einfluss der „Purity Culture“ auf freikirchliche Kontexte in Deutschland


Im Rah­men mein­er Bach­e­lo­rar­beit habe ich — Laris­sa Schott — mich mit dem The­ma „Puri­ty Cul­ture“ — also mit der in den USA ent­stande­nen, religiös begrün­de­ten Keuschheit­skul­tur — auseinan­derge­set­zt, und damit, ob und inwiefern man Merk­male dieser in der Rhetorik von deutschen Freikirchen-Predigten fest­stellen kann. Das Inter­esse und die Auseinan­der­set­zung mit diesem The­ma sind allem voran aus mein­er eige­nen Biografie begrün­det.

Während mein­er jahre­lan­gen Mit­glied­schaft in ein­er Freikirche des BFP (Bund Freikirch­lich­er Pfin­gst­ge­mein­den) und der daraus fol­gen­den christlichen Sozial­i­sa­tion, bin ich mit diesem The­ma ver­traut gewor­den. Beson­ders in Jugend­gottes­di­en­sten und ‑events wur­den die The­men Beziehun­gen und Sex­u­al­ität behan­delt. Dabei fiel auf, mit welch­er Ein­deutigkeit und Alternal­tivlosigkeit gesprochen wurde, denn Sex und Ehe waren stets untrennbar miteinan­der verknüpft. Diese Art der Kom­mu­nika­tion zum The­ma Sex­u­al­ität habe ich, als jemand, der damit aufgewach­sen ist, lange Zeit nicht hin­ter­fragt und als ganz selb­stver­ständlichen Teil christlich­er Lebens­führung ver­standen.

Purity Culture als Forschungsthema

Im Studi­um der Ver­gle­ichen­den Kul­tur- und Reli­gion­swis­senschaft an der Philipps-Uni­ver­sität Mar­burg kon­nte ich neue Per­spek­tiv­en auf meine Erfahrun­gen in der Kirchenge­meinde gewin­nen. Das Fehlen ein­er fundierten Auseinan­der­set­zung mit der Puri­ty Cul­ture im deutschsprachi­gen Raum motivierte mich, meine Bach­e­lo­rar­beit zu diesem The­ma zu schreiben. Abge­se­hen von einem Artikel von Clau­dia Jet­ter gibt es kaum deutsche Quellen zu dieser The­matik. Meine Forschung konzen­tri­ert sich deshalb darauf, die Rhetorik in drei Online-Predigten des BFP mit den Merk­malen der US-amerikanis­chen Puri­ty Cul­ture abzu­gle­ichen. Die Arbeit ent­stand im Som­merse­mes­ter 2024 unter der Leitung von Prof. Dr. Edith Franke und Dr. Susanne Rode­meier.

Was ist Purity Culture?

Die Puri­ty Cul­ture ist eine religiös motivierte Bewe­gung aus den USA, die in den 1990er Jahren von weißen evan­ge­likalen Kirchen und Organ­i­sa­tio­nen ins Leben gerufen wurde. Jugendliche wer­den dazu ange­hal­ten, bis zur Ehe sex­uell enthalt­sam zu leben, da roman­tis­che und sex­uelle Beziehun­gen als heilig und auss­chließlich inner­halb ein­er het­ero­sex­uellen, monoga­men Ehe akzep­tiert wer­den. Diese Vorstel­lung wird bib­lisch begrün­det und lässt daher wenig bis keinen Raum für alter­na­tive Lebens­mod­elle.

Eine treibende Kraft hin­ter der Entste­hung der Puri­ty Cul­ture waren die staatlich finanzierte Sex­u­alaufk­lärung­spro­gramme, die zu Beginn der 1990er Jahre in Schulen einge­führt wur­den. Kri­tisiert wurde ins­beson­dere der Fokus auf Ver­hü­tungsmeth­o­d­en wie die Antibabyp­ille, sowie die Aufk­lärung über und Präven­tion von sex­uell über­trag­baren Krankheit­en. Dieser freizügige Umgang mit Sex­u­al­ität wurde als gesellschaftlich­er Wertev­er­fall eines judeo-christlichen Ursprungs der USA gedeutet (Vgl. Jet­ter 2023).

Bildquelle: Nick Kar­vou­nis / Unsplash

Der Ursprung der Purity Culture

Der konkrete Beginn der Puri­ty Cul­ture wird auf das Jahr 1993 datiert, als die christliche Sex­u­alerziehungsrei­he “True Love Waits” (TLW) auf ein­er Kon­ferenz der South­ern Bap­tist Con­ven­tion (SBC) vorgestellt wurde. Die im Jahr 1987 gegrün­dete Kam­pagne bre­it­ete sich von den USA weltweit aus und wurde nicht nur in Kirchen, son­dern auch in säku­laren Schulen imple­men­tiert. Jugendliche unter­schrieben dabei Verpflich­tungskarten mit dem Ver­sprechen, auf sex­uelle Enthalt­samkeit bis zur Ehe zu warten:

„Believ­ing that true love waits, I make a com­mit­ment to God, myself, my fam­i­ly, my friends, my future mate, and my future chil­dren to be sex­u­al­ly absti­nent from this day until the day I enter a bib­li­cal mar­riage rela­tion­ship.”

Das Pro­gramm war nicht nur in den USA erfol­gre­ich und gener­ierte durch ver­schiedene Ableger inter­na­tionale Aufmerk­samkeit. In Deutsch­land wurde TLW unter dem Namen „Wahre Liebe Wartet“ bekan­nt. Die offizielle Web­seite von „Wahre Liebe Wartet“ war seit dem Jahr 2011 aber nicht mehr aktiv und im Jahr 2018 wurde sie ganz eingestellt.

The Silver Ring Thing

Nach auf dem mas­siv­en Erfolg der True Love Waits Kam­pagne etablierte sich eine weit­ere Organ­i­sa­tion namens „The Sil­ver Ring Thing“, die 1995 von den Jugendpastor*innen Den­ny und Amy Pat­tyn ins Leben gerufen wurde. Das Pro­gramm wurde durch öffentliche Gelder in Höhe von etwa 1,5 Mil­lio­nen US-Dol­lar sowie die Unter­stützung ein­flussre­ich­er poli­tis­ch­er Akteure finanziert. Sil­ver Ring Thing (SRT) organ­isierte vor allem Jugend­kon­feren­zen, bei denen Teilnehmer*innen ein Jungfräulichkeits- oder Keuschheitsver­sprechen (“vir­gin­i­ty pledge” bzw. “puri­ty pledge”) able­gen kon­nten.

Der Name spiegelte das Konzept wider: SRT zielte darauf ab, sex­uelle Absti­nenz öffentlich sicht­bar zu machen, indem die Teilnehmer*innen einen Sil­ber­ring tru­gen, in dem ein Bibelvers oder ein ähn­lich­er Text ein­graviert war, der an das Gelöb­nis erin­nerte. Bere­its im Grün­dungs­jahr hat­ten 2,2 Mil­lio­nen Men­schen ein solch­es Ver­sprechen abgelegt. Die Organ­i­sa­tion existiert bis heute und ver­anstal­tet Schu­lun­gen, Retreats und Kon­feren­zen.

I Kissed Dating Goodbye

Im beson­deren Maße wurde zudem das Buch „I kissed Dat­ing Good­bye“ von Joshua Har­ris aus dem Jahr 1997 bekan­nt. Es entwick­elte sich schnell zum Best­seller und damit auch zum erfol­gre­ich­sten Buch der Puri­ty-Bewe­gung. 20 Jahre später, im Jahr 2017 dis­tanzierte sich Har­ris über­rashend von den von ihm vertrete­nen The­sen. Er beze­ich­nete sie expliz­it als unbib­lisch und entschuldigte sich für die neg­a­tiv­en Auswirkun­gen, die das Buch bei vie­len Men­schen zur Folge hat­te.

Schließlich wurde das Buch kom­plett vom Markt genom­men. Bis zum Jahr 2019 verkaufte sich „I Kissed Dat­ing Good­bye“ über 1 Mil­lion Mal. In Deutsch­land wurde das Buch unter dem Namen „Ungeküsst und doch kein Frosch“ ver­trieben, die konkreten Verkauf­szahlen lassen sich jedoch nicht ermit­teln. Die Veröf­fentlichung von vier Aufla­gen deuten aber auf eine hohe Leser*innenschaft.

Wer­be­plakat für den Doku­men­tarfilm „I Sur­vived I Kissed Dat­ing Good­bye“.
Der Best­seller von Joshua Har­ris, der ger­ade 21 Jahre alt war, als er ihn schrieb, prägte das Leben viel­er junger kon­ser­v­a­tiv­er Chris­ten auf der ganzen Welt, die heute erwach­sen sind. Har­ris hat in den let­zten Jahren seine Zweifel zu dem Buch öffentlich gemacht, die er auch in einem neuen Doku­men­tarfilm teilt.
Bildquelle: https://www.npr.org/2018/12/17/671888011/evangelical-writer-kisses-an-old-idea-goodbye

Wandel der Purity Culture nach Howard

In ihrer Arbeit „Beyond Puri­ty Cul­ture: Explor­ing His­to­ry, Impli­ca­tions and Alter­na­tives“ beschreibt Howard den Wan­del der Puri­ty Cul­ture in einem Zwei-Phasen Mod­ell: Während Rit­uale in der Anfangsphase der US-Puri­ty Cul­ture eine große Rolle spiel­ten — wie etwa Gelöb­nisse, Puri­ty-Bälle oder das Tra­gen von Rin­gen — trat­en später in der zweit­en Phase die zugrunde liegen­den Botschaften mehr in den Vorder­grund. Die Ansätze in der Ver­mit­tlung könnnen dabei vari­ieren, jedoch find­en sich starke Über­schnei­dun­gen in der Rhetorik und den inhaltlichen Merk­malen.

Laut Cro­nan lassen sich diese ver­schiede­nen Merk­male der Puri­ty Cul­ture am besten ver­ste­hen, wenn man sie im Kon­text mit der dahin­ter­liegen­den Grundüberzeu­gung betra­chtet. Diese zen­trale Überzeu­gung besagt, dass Intim­ität und Sex­u­al­ität auss­chließlich in der het­ero­sex­uellen Ehe erlaubt sind, was die Vertreter*innen der Puri­ty Cul­ture bib­lisch begrün­den. Die weit­eren Merk­male, die Cro­nan als „meth­ods“ beze­ich­net, dienen dazu, diese Überzeu­gung aufrechtzuer­hal­ten.

Cro­nan greift dabei auf die Kat­e­gorisierung von Aman­da Ortiz zurück und teilt die Meth­o­d­en in drei Haupt­bere­iche ein, die sie als sekundäre Glaubenssätze beze­ich­net: Gen­der­rollen, Ide­al­isierung und Scham/Schuld:

1) Genderrollen

Gen­der­rollen meint die Vorstel­lung, Mann und Frau seien kom­ple­men­tär zueinan­der geschaf­fen wor­den und wür­den sich in ihren Fähigkeit­en und Eigen­schaften per­fekt ergänzen. Diese Vorstel­lung wird mit der Schöp­fungs­geschichte legit­imiert und exk­ludiert a pri­ori queere Men­schen, aber auch het­ero­sex­uelle Men­schen, deren Aus­drucks­form nicht dem het­ero­nor­ma­tiv­en Stan­dard entspricht. Ein weit­er­er Punkt ist die Vorstel­lung, Frauen seien weniger sex­uell ver­an­lagt als Män­ner, was dazu führt, dass Män­nern eher nachge­se­hen wird, wenn sie sex­uellen Ver­suchun­gen nachgeben.

Frauen hinge­gen tra­gen die Ver­ant­wor­tung für ihre eigene und die männliche Sex­u­al­ität. Para­dox­er­weise wer­den Frauen als schwäch­er ange­se­hen und als abhängig von männlichem Schutz dargestellt. Rit­uale wie Puri­ty-Bälle, bei der Väter ver­sprechen, die die Rein­heit ihrer Töchter zu bewahren, ver­stärken diese Kon­trolle und führen zu ein­er Ungle­ich­heit, die als wohlwol­len­der Sex­is­mus beze­ich­net wird. Diese Art der Kon­trolle spiegelt sich auch in der Rhetorik der Objek­ti­fizierung wider, die inner­halb der Puri­ty Cul­ture häu­fig angewen­det wird. Dabei wer­den (meist weib­liche) Kör­p­er mit Gegen­stän­den ver­glichen, an dem die neg­a­tiv­en Fol­gen außere­he­lich­er Sex­u­al­ität dargestellt wer­den sollen.

Howard nen­nt hier das Beispiel eines Kle­be­bands, welch­es, wenn es zu oft herumgere­icht wurde, nicht mehr klebt. Ein anderes Beispiel, das ich selb­st oft gehört habe: Eine Blume wird in ein­er Gruppe von Men­schen herumgere­icht und es wird dazu ermutigt, die Blume zu berühren, an ihr zu riechen und gele­gentlich ein Blüten­blatt auszureißen, was am Ende dazu führt, dass die Blume beschädigt wird.

Diese Illus­tra­tio­nen soll zeigen, dass sex­uelle Hand­lun­gen nicht rück­gängig gemacht wer­den kön­nen und der jew­eilige Gegen­stand, bzw. der Kör­p­er dadurch dauer­haft untauglich gemacht wird. Im über­tra­gen­den Sinn impliziert dieser Ver­gle­ich sowohl eine Beschädi­gung des Selb­st­werts, als auch einen Autonomiev­er­lust. Howard beschreibt diesen Vor­gang tre­f­fend:

„It is dif­fi­cult to imag­ine one­self as autonomous moral or sex­u­al agent when one has been objec­ti­fied so“ (Vgl. Howard 2023: 15).

2) Idealisierung

Ide­al­isierung zeigt sich vor­rangig in der Art und Weise, wie inner­halb der Puri­ty Cul­ture über Sex­u­al­ität gedacht wird. Es wer­den hohe Erwartun­gen an Ehe, Sex­u­al­ität und Intim­ität geknüpft, was angesichts der strik­ten Absti­nen­zvor­gaben Sinn ergibt. Howard fasst dies präg­nant zusam­men:

The good end of puri­ty cul­ture for teenagers is the promise that God will bless their mar­riage, includ­ing their sex lives, if they will hon­or God and future spouse with their vir­gin­i­ty” (Howard 2023: 15).

Die Ide­al­isierung eines per­fek­ten Sexlebens entspringt jedoch nicht nur den expliziten Botschaften der Puri­ty Culture-Akteur*innen. Ortiz weist auf eine Verselb­st­ständi­gung dieser Vorstel­lun­gen hin: Wenn Sex­u­al­ität als heilig gilt, kann sie im ehe­lichen Kon­text als von Gott geseg­net ver­standen wer­den. Ortiz spricht von ein­er „Beloh­nung für die Befol­gung der Regeln.“ Somit bee­in­flussen nicht nur äußere, son­dern auch inter­nal­isierte Vorstel­lun­gen die Ide­al­isierung.

3) Scham/Schuld

Da Schuld/Scham Ortiz nach als eine Folge der anderen Aspek­te gese­hen wer­den kann, habe ich in mein­er Arbeit diesen Punkt unter Gen­der­rrollen gefasst. Ein Beispiel dafür ist die Objek­ti­fizierung, wie etwa das genan­nte Beispiel mit dem Kle­be­band. Sex­u­al­ität und Intim­ität wer­den inner­halb des erlaubten Rah­mens ide­al­isiert, außer­halb davon jedoch als zer­störerisch betra­chtet. Ortiz führt dies auf die „Alles-oder-Nichts“-Mentalität der Puri­ty Cul­ture zurück: Inner­halb der Ehe gilt Sex als per­fekt, außer­halb zer­stört er dich. Solche drastis­chen Darstel­lun­gen führen bei Über­schre­itung zu Scham und Schuldge­fühlen.

Purity Culture in Deutschland

Diese Puri­ty Cul­ture Botschaften sind auch in Deutsch­land bei bekan­nten christlichen Influencer*innen auf Social Media find­en. Ein gutes Beispiel dafür ist der am 18. August hochge­ladene Insta­gram-Post von Jas­min Neubauer, bekan­nter unter dem Namen „liebezur­bibel“, in der sie vor den neg­a­tiv­en Fol­gen von vore­he­lichem Sex warnt:

Bildquelle: Insta­gram: @liebezurbibel

Und obwohl sich solche und ähn­liche Aus­sagen im deutschen Freikirchenkon­text find­en lassen, ist die Erforschung zum Phänomen der Puri­ty Cul­ture in Deutsch­land qua­si nicht-exis­tent. Es gibt nur einen einiz­gen Artikel zu diesem The­ma: „Puri­ty Cul­ture“ von Clau­dia Jet­ter. In diesem Artikel der EZW (Evan­ge­lis­che Zen­tral­stelle für Weltan­schau­ungs­fra­gen) zeich­net sie einen groben Überblick zur Etablierung der Puri­ty Cul­ture in Deutsch­land und ver­weist auf bekan­nte christliche Influencer*innen wie „liebezur­bibel“ und „Crosstalk“, sowie Predigten des ICF (Inter­na­tion­al Chris­t­ian Fel­low­ship). Von­seit­en Kirchenaussteiger*innen und Poste­van­ge­likalen existiert seit Jahren jedoch eine inten­sive Auseinan­der­set­zung mit der The­matik, beispiel­sweise im Pod­cast „FCK PURITY“.

Forschungskontext BFP

In mein­er Arbeit habe ich den Bund Freikirch­lich­er Pfin­gst­ge­mein­den (BFP) auf die bere­its genan­nten Merk­male von US-amerikanis­ch­er Puri­ty Cul­ture unter­sucht. Wie bere­its erwäh­nt war ich selb­st jahre­langes Mit­glied ein­er Kirchenge­meinde des Bun­des, weshalb ich mich für diesen Forschungskon­text entsch­ieden habe. Der BFP wurde 1974 gegrün­det und gehört der Assem­blies of God (AoG), dem größten Pfin­gst­bund weltweit, an. Der BFP umfasst heute die meis­ten deutschen Pfin­gstkirchen, darunter auch das promi­nen­teste Beispiel Hill­song Ger­many.

Obwohl der BFP sich als kon­gre­ga­tion­al­is­tisch und syn­odal beschreibt, zeigt Sporn­hauer eine zunehmende Hier­ar­chisierung des Bun­des auf. Im Gegen­satz zum Welt­bund der AoG, der die Autonomie der Gemein­den betont, greifen im BFP überge­meindliche Leitungs­fig­uren, soge­nan­nte Apos­tel, zunehmend in zen­trale und detail­lierte Entschei­dun­gen der einzel­nen Gemein­den ein. Dies wider­spricht sowohl früheren BFP-Veröf­fentlichun­gen, als auch den Prinzip­i­en des AoG-Welt­bunds. Dieser Aspekt führt dazu, dass Entschei­dun­gen der einzel­nen Ort­ge­mein­den stärk­er an über­ge­ord­nete Leitungsper­so­n­en und damit auch die Leitlin­ie des BFP gebun­den sind. Das schließt auch die Posi­tio­nen des Bun­des zu The­men wie Sex­u­al­ität und LGBTQ+ ein.

Die Veröf­fentlichun­gen des The­ol­o­gis­chen Auss­chuss­es des BFP in den let­zten Jahren zeigen diesen starken Fokus auf Sex­u­al­ität deut­lich: Von 10 Stel­lung­nah­men und Ver­laut­barun­gen geht es in 4 konkret um Ehe, Sex­u­al­ität und Queer­ness. Hier stellt der BFP seine Sicht auf Homo­sex­u­al­ität als sünd­hafte Hand­lung, und nicht etwa als Iden­tität, dar und toleriert diese nicht. Die gle­ichgeschlechtliche Liebe wird als eine Abwe­ichung von Gottes Willen gese­hen. Es fol­gt eine Ermu­ti­gung zur Umkehr und Verän­derung betrof­fen­er Per­so­n­en (Vgl. Prä­sid­i­um des BFP 2013).

Bildquelle: Hill­song Ger­many. (2024). https://hillsong.com/germany/de/

Fragestellung und Methode

Ver­fasst wurde die Arbeit mit Hin­blick auf die Forschungs­frage „Welche Merk­male von US-Puri­ty Cul­ture find­en sich in Online-Predigten deutschsprachiger Freikirchen, am konkreten Beispiel des BFP?“.

Das Ziel der Arbeit bestand also darin, inhaltliche Aus­sagen aus drei Online Predigten des BFP (Bund Freikirch­lich­er Pfin­gst­ge­mein­den) zu den The­men „Sex­u­al­ität“, „Ehe“ und „Enthalt­samkeit“ zu unter­suchen und die darin enthal­te­nen Aus­sagen mit Merk­malen US-amerikanis­ch­er Puri­ty Cul­ture abzu­gle­ichen. Diese drei Predigten stam­men aus der Hill­song Ger­many Gemeinde, der Eccle­sia Gießen und der Elim Kirche Ham­burg. Sowohl alle drei Gemein­den, als auch die Predi­ger, verbindet einen hohen Bekan­ntheits­grad inner­halb des BFP. Die Auswahl dieser Gemein­den und Predi­ger schien deshalb repräsen­ta­tiv für den BFP und dessen Leitlin­ie für den Umgang mit Sex­u­al­ität zu ste­hen, was mir im Rah­men dieser Arbeit beson­ders wichtig war.

Für den empirischen Teil emp­fand ich die qual­i­ta­tive Inhalt­s­analyse nach Mayring, spez­i­fis­ch­er: die zusam­men­fassende Inhalt­s­analyse mit induk­tiv­er Kat­e­gorien­bil­dung, als passende Meth­ode. Dabei wur­den alle rel­e­van­ten Aus­sagen bezüglich „Sex­u­al­ität“, „Enthalt­samkeit“ und „Ehe“ aus dem Mate­r­i­al gefiltert und auf ihren inhaltlichen Kern reduziert. Im Anschluss fol­gte die Kodierung aus dem reduzierten Mate­r­i­al anhand von Kat­e­gorien­bil­dung. Nach etwa 50% des Mate­ri­als wurde eine Revi­sion vorgenom­men, d.h. die bis dato erstell­ten Kat­e­gorien wur­den über­ar­beit­et und gegebe­nen­falls neu for­muliert. Nach dem endgülti­gen Mate­ri­al­durch­lauf ergaben fol­gende Haup­tkat­e­gorien: Schöp­fung, Bedeu­tung und Zweck von Sex­u­al­ität, Nor­men und Bedin­gun­gen für Sex­u­al­ität, Ehe als göt­tliche Insti­tu­tion, Geschlechter­rollen, Gesellschaftliche Nor­men und Kri­tik, Iden­tität und Bes­tim­mung, sowie Abwe­ichung und moralis­che Bew­er­tung.

Fazit

Die Analyse des Predigt­ma­te­ri­als ergab eine beachtliche inhaltliche Übere­in­stim­mung mit Merk­malen US-amerikanis­ch­er Puri­ty Cul­ture. Meine Auseinan­der­set­zung mit der Puri­ty Cul­ture in deutschen Freikirchen zeigt also, dass die in den USA ent­stande­nen Ideen und Rhetoriken auch hierzu­lande Anklang find­en. Es ist wichtig, diese The­men kri­tisch zu hin­ter­fra­gen und eine bre­it­ere Diskus­sion über Sex­u­al­ität, Beziehun­gen und indi­vidu­elle Frei­heit zu führen. Die fehlende Auseinan­der­set­zung mit der Puri­ty Cul­ture in der deutschsprachi­gen Forschung macht deut­lich, dass hier weit­er­er Bedarf an kri­tis­ch­er Analyse und Diskus­sion beste­ht.

Laris­sa Schott, B.A. 2024

Literatur

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Pikel, Ash­ley (2018). Framed by Sex­u­al­i­ty: An Exam­i­na­tion of Iden­ti­ty-Mes­sages in “Puri­ty Cul­ture” Reflec­tions. Mas­ter­ar­beit, South Dako­ta State Uni­ver­si­ty. https://openprairie.sdstate.edu/etd/2662/ (let­zter Zugriff: 05.07.2024).

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The­ol­o­gis­ch­er Auss­chuss des Bun­des Freikirch­lich­er Pfin­gst­ge­mein­den KdöR (2019). Schriftver­ständ­nis und die Fol­gen für die Lebens­führung. The­olo­gie heute. Pfin­gstkirch­liche Beiträge zur The­olo­gie. Band 1. Erzhausen: Forum The­olo­gie und Gemeinde.

Quellen

Neubauer, Jas­mim [@liebezurbibel] (2024). „Bewahrt euch auf Mädels 懶 #intim­ität.“ [Post, 18.08.2024]. Insta­gram, https://www.instagram.com/liebezurbibel/?img_index=1 (let­zter Zugriff: 20.08.2024).

Prä­sid­i­um des Bun­des Freikirch­lich­er Pfin­gst­be­we­gun­gen KdöR (2013). Stel­lung­nahme des BFP-Prä­sid­i­ums zur Homo­sex­u­al­ität in Bibel, Gemeinde und Gesellschaft 46 (Kurz­fas­sung). https://www.bfp.de/de/bfp-ordnungen

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