Isis Unveiled – ein Bestseller im religiösen Feld

Ein kul­tur­sozi­ol­o­gis­ch­er Blick in die Anfangszeit der mod­er­nen Theoso­phie (1873–1878)

Isis Unveiled (dt. Isis entschleiert) ist Hele­na P. Blavatskys erstes Hauptwerk der Theoso­phie—eine bre­it angelegte Kri­tik an zeit­genös­sis­ch­er Wis­senschaft und The­olo­gie im Namen „alter Weisheit“—und gilt als Grund­text der theosophis­chen Bewe­gung mit nach­haltigem Ein­fluss auf die mod­erne west­liche Eso­terik.

Das Buch erschien 1877 als erste Pub­lika­tion der Theo­soph­i­cal Soci­ety in New York.1 Auf über 1300 Seit­en wur­den gängige eso­ter­ische Ansätze aus unter­schiedlichen spir­ituellen und mys­tis­chen Quellen zusam­menge­führt und verknüpft. Das Buch war schlecht lek­to­ri­ert, die Quel­len­lage unüber­sichtlich und akademisch nicht zu gebrauchen. Trotz Polemik gegen The­olo­gie, Natur­wis­senschaften und den Spiritismus2 wurde es zum Best­seller und erschien bis heute in immer neuen Aufla­gen. Wie war das möglich? Warum ist es nicht in den Tiefen der Archive ver­schwun­den? Und welche Umstände führten zur Erschaf­fung dieses Werkes?

Um diese Fra­gen geht es in mein­er Bach­e­lor-Arbeit, da ich ver­ste­hen wollte, wie Reli­gion­s­geschichte bzw. die Ideengeschichte von Reli­gio­nen sich in konkreten Hand­lun­gen entwick­elt. Im Nach­hinein kann man immer behaupten, dass “die Zeit für etwas reif gewe­sen” sei. Den­noch braucht es zu diesem konkreten Zeit­punkt Men­schen, die diese Schritte gehen, die Gedanken in Worte fassen und Ideen eine Form geben. Sie haben eine Moti­va­tion und vielle­icht auch eine Zielvorstel­lung, aber ganz konkret kön­nen sie nicht wis­sen, was sich im Lauf der Zeit aus ihrer Aktion ent­fal­ten würde. Wie bin ich also vorge­gan­gen?

SpielerInnen im Feld – ein kultursoziologischer Ansatz3

Da Büch­er immer auch in die Gesellschaft und Kul­tur ihrer Zeit einge­bet­tet sind, habe ich mich für einen sys­temis­chen Blick entsch­ieden, denn die jew­eili­gen AutorIn­nen ste­hen in sozialen Net­zw­erken und Beziehun­gen. Sie brin­gen ihre Fähigkeit­en, Erfahrun­gen und Moti­va­tio­nen in die Erschaf­fung des Werkes ein und auch die Ver­lage und das Pub­likum sind für die Entste­hung und Res­o­nanz eines Buch­es entschei­dend.

Um diese Dynamiken bess­er erforschen zu kön­nen, ver­wen­dete ich für die Analyse den Ansatz von Bour­dieu für die Analyse zu nutzen. Dieser betra­chtet einen definierten Bezugsraum als ein Spielfeld, auf dem die AkteurIn­nen nach bes­timmten Regeln ihr Ziel ver­fol­gen.4 Dabei gibt es Fähigkeit­en, die in dem Spiel beson­ders von Vorteil sind, oder Mate­r­i­al, das gewinnbrin­gend einge­set­zt wer­den kann. In der Regel ste­hen die SpielerIn­nen im Wettstre­it miteinan­der und es gilt, möglichst viele Spielanteile zu erlan­gen und den Ein­fluss­bere­ich auszudehnen. In der Gesellschaft gibt es zeit­gle­ich immer viele ver­schiedene Bezugsräume, die sich über­lagern, und in denen sich Men­schen bewe­gen. Das heißt, es laufen gle­ichzeit­ig mehrere Spiele ab und die SpielerIn­nen sind zeit­gle­ich in mehreren Spie­len involviert. Dabei sind für sie unter­schiedliche Regel­sys­teme rel­e­vant, in denen ver­schiedene Fähigkeit­en von Vorteil sein kön­nen. Über jeden einzel­nen Men­schen kann Mate­r­i­al oder Wis­sen von einem Bezugsraum in einen anderen einge­bracht wer­den. Es ist also sehr dynamisch und kom­plex.

In unserem Fall betra­cht­en wir das religiöse Feld im his­torischen New York 1873 – 1878 als Spielfeld. In diesem Feld gibt es unter­schiedliche AkteurIn­nen, die um Ein­fluss­bere­iche und Deu­tung­shoheit rin­gen. Dabei kön­nen die „Spiel­er“ Einzelper­so­n­en sein, aber auch Organ­i­sa­tio­nen oder (indi­rekt) Objek­te. Alle Akteure inter­agieren dynamisch miteinan­der und bee­in­flussen das Gesamt­feld schon allein durch ihre Präsenz, weil andere sich dazu posi­tion­ieren müssen.

Abbil­dung 1 zeigt schema­tisch fünf Bere­iche im religiösen Feld, denen Grup­pe­nak­teure zuge­ord­net wer­den kön­nen, die unter­schiedliche For­men der Organ­i­sa­tion und spir­ituellen  Leitungsstruk­tur aufweisen. Diese Insti­tu­tio­nen oder Grup­pierun­gen ver­suchen nun mehr oder weniger aktiv Mit­glieder anzuwer­ben und ihren Ein­fluss­bere­ich zu erweit­ern. Jed­er neue „Mit­spiel­er“ bietet eine weit­ere Alter­na­tive und bedeutet poten­tiell Ver­lust von Ein­fluss.

Abb. 1:  Schema­tis­che Über­sicht der Bere­iche für Grup­pe­nak­teure im religiösen Feld [Form der Organ­i­sa­tion, Form der spir­ituellen Leitung]. Blaue Pfeile geben mögliche Moti­va­tio­nen für Kon­ver­sio­nen an, gestrichelte Pfeile sind Par­al­lelop­tio­nen.5

Neben den Regeln des Spiels und den Fähigkeit­en der Akteure gibt es noch „Mate­r­i­al“, das ein erfol­gre­ich­es Agieren im Feld ermöglichen kann. Bour­dieu beschreibt dies mit  ver­schiede­nen Kap­i­tal­sorten, die Gestal­tungsmöglichkeit bedeuten und die die Akteure im Feld ein­set­zen kön­nen.6 Im religiösen Feld ist vor allem das soge­nan­nte sym­bol­is­che Kap­i­tal rel­e­vant, da es  z. B. Glaub­würdigkeit bedeutet und damit Deu­tung­shoheit und Ein­flussnahme ver­mehren kann. Doch auch wirtschaftlich­es und soziales Kap­i­tal sind wichtige Kom­po­nen­ten bei der Erschaf­fung eines Buch­es.

Blavatsky und ihr Netzwerk

Um mehr über die Entste­hung und Ver­bre­itung des Buch­es zu erfahren, ist es sin­nvoll, sich die Men­schen, die an der Her­stel­lung maßge­blich beteiligt waren, anzuschauen: Was waren ihre Moti­va­tio­nen und Fähigkeit­en, welch­es Kap­i­tal bracht­en sie ein?

„Hele­na Petro­v­na Blavatsky“ (1877), Urhe­ber: unbekan­nt; Quelle: Blavatsky Archives, via Wiki­me­dia Com­mons.
„Hen­ry Steel Olcott“, Urhe­ber: unbekan­nt; via Wiki­me­dia Com­mons.

Haup­tak­teurin in der Entste­hung von Isis Unveiled war Hele­na Petro­v­na Blavatsky (1830–1891), eine weit­gereiste rus­sis­che Adelige, die 1873 in New York mit­tel­los stran­dete und sich eine neue Exis­tenz auf­bauen musste.7 Um als spiri­tis­tis­ches Medi­um eine zahlungskräftige Klien­tel zu erre­ichen, ver­suchte sie über die Presse in der Öffentlichkeit sicht­bar zu wer­den. Bei ein­er Seance in Rochester, NY State, traf sie Hen­ry Steel Olcott (1832–1907), einen viel­seit­ig inter­essierten und tal­en­tierten Men­schen, der in seinem Lebenslauf jeden Beruf kom­pe­tent und erfol­gre­ich ausübte8. Die bei­den entwick­el­ten eine lebenslange Tea­mar­beit, in der Olcott vor­wiegend für die prak­tis­chen, organ­isatorischen und finanziellen Belange, Blavatsky für die inhaltliche und spir­ituelle Entwick­lung zuständig war. Zurück in New York ent­stand um Blavatsky als Mit­telpunkt ein Salon, der sich wöchentlich traf und aus dessen Mit­gliedern her­aus 1875 die Theo­soph­i­cal Soci­ety gegrün­det wurde.

Bere­its 1874 fing Blavatsky an, ein Grund­la­gen­werk ihrer eso­ter­ischen Weltan­schau­ung zu schreiben. Darin bezog sie sich sowohl auf gängige eso­ter­ische Diskurse ihrer Zeit als auch auf antike europäis­che und asi­atis­che Reli­gio­nen, Philoso­phien und Welt­bilder. Sehr bald wurde Olcott ihr Co-Autor und Buch­man­ag­er. Mit James W. Bou­ton (1831–1902) fand er einen Ver­leger, der neben einem per­sön­lichen Inter­esse an den Inhal­ten, wohl auch ein mark­twirtschaftlich­es Poten­tial und ein poten­tielles Pub­likum sah. Durch sein Wirken wurde das Buch mit dem wirtschaftlichen Sozial­raum der Ver­lage ver­schränkt.

Über Bou­ton kam Alexan­der Wilder (1823–1908) ins Spiel. Obwohl er dem Buch­pro­jekt anfangs skep­tisch gegenüber­stand, ließ er sich durch die inhaltliche Her­aus­forderung des Lek­torats und den intellek­tuellen Aus­tausch mit Blavatsky faszinieren. Er bekam den Auf­trag, das Manuskript zu kürzen und druck­fähig zu machen. Über die inten­sive Zusam­me­nar­beit mit Blavatsky und Olcott und sein eigenes Inter­esse am Neu­pla­ton­is­mus wurde er zur drit­ten Kraft in der Gestal­tung des finalen Werkes.9

“Alexan­der Wilder”, Quelle: Bild des Autors aus His­to­ry of Med­i­cine. Augus­ta: Maine Farm­ers Pub­lish­ing (1904)
“James W. Bou­ton”, Quelle: Bild des Ver­stor­be­nen im im Lit­er­ary Col­lec­tor (1903), 29.

Für die Real­isierung des Buch­es brachte Blavatsky vor­wiegend sym­bol­is­ches Kap­i­tal und eine charis­ma­tis­che Per­sön­lichkeit mit, die Men­schen faszinierte. Olcott steuerte nicht zu unter­schätzen­des finanzielles Kapi­tel bei: Ohne ihn wären der Theo­soph­i­cal Soci­ety keine aus­re­ichen­den Ressourcen für Ver­samm­lun­gen und Kor­re­spon­denz zur Ver­fü­gung ges­tanden. Außer­dem unter­stützte er Blavatsky und ermöglichte eine ungestörte Schaf­fen­sphase. In diesem Prozess wan­delte sich sozusagen finanzielles Kap­i­tal in religiös­es um.

New York 1873–1875 – Nährboden für alternative Religionen

Der Hin­ter­grund für das religiöse Feld bildete die Stadt­ge­sellschaft in New York. Sie war geprägt von einem aktiv­en Bürg­er­tum, das sich in vielfälti­gen Soci­eties und Clubs organ­isierte, in denen sich Gle­ich­gesin­nte aus­tauscht­en und im Geiste der Zeit gesellschaftliche Reform­pro­gramme anstiessen. Das Leben in New York war stark von Klasse­nun­ter­schieden geprägt, die sich durch Indus­tri­al­isierung, Emi­gra­tionswellen, und die Wirtschaft­skrise ver­schärft hat­ten. Die Gesellschaft war durch­drun­gen von einem opti­mistis­chen Fortschritts­gedanken und den vik­to­ri­an­is­chen Ide­alen des „self-help, self-con­trol and self-improve­ment“. Diese Annahme der indi­vidu­ellen Verbesserungs- und Entwick­lungs­fähigkeit führte im Bürg­er­tum zur Wahrnehmung eines human­is­tis­chen Bil­dungsauf­trags, die Men­schheit zu erziehen und zivil­isieren.

Im betra­chteten Zeitraum war der amerikanis­che Bürg­erkrieg ger­ade acht Jahre vor­bei und die gesamte Nation noch mit der Aufar­beitung der Kon­se­quen­zen auf allen Ebe­nen beschäftigt. Poli­tisch wurde um die Inte­gra­tion der zurück­ge­wonnenen Staat­en gerun­gen, gesellschaftlich mussten viele entwurzelte Men­schen und ehe­ma­lige Sklaven inte­gri­ert wer­den, und indi­vidu­ell hat­te der Krieg für viele Men­schen auf bei­den Seit­en Ver­lust und Trauer um die Gefal­l­enen gebracht.10

Skandale und Dynamik unter den Gruppenakteuren

Als Blavatsky 1873 als unbekan­ntes Medi­um in New York ankam, gab es ein vielfältiges und dynamis­ches Ange­bot im religiösen Feld, das durch die aktuellen Diskurse über natur­wis­senschaftliche Ent­deck­un­gen, tech­nis­chen Fortschritt, Reli­gionsver­gle­iche und spiri­tis­tis­che Skan­dale geprägt war. In öffentliche Vorträge, Ver­samm­lun­gen und Debat­ten wurde informiert, gestrit­ten und polemisiert, was in ihrer Dynamik von der Presse gerne aufgenom­men wurde: Das zen­trale Kom­mu­nika­tion­s­mit­tel der Gesellschaft war damals sowohl stadt­in­tern als über­re­gion­al und sog­ar weltweit die Tage­spresse und Fachzeitschriften.11 Auf diesem Weg kon­nten sich selb­st kleine Inter­essens­grup­pen über große Dis­tanzen hin­weg aus­tauschen, disku­tieren und unter­stützen.12

Das religiöse Feld in New York bzw. in Nor­dameri­ka war durch seine Entste­hungs­geschichte schon von Anfang an durch eine Vielfalt an religiösen Split­ter­grup­pen und neuen religiösen Bewe­gun­gen geprägt. Doch auch die etablierten Kirchen waren vertreten, die einen engen Kon­takt zur Mut­terkirche in Europa pflegten und teil­weise weisungs­ge­bun­den waren. Mit ein­er starken spiri­tis­tis­chen Szene, die sich vor allem in lokalen Grup­pen organ­isierte, und diversen religiös-weltan­schaulichen Grup­pierun­gen war das religiöse Feld sehr weit gesteckt. Für all diese Grup­pen waren Mit­glieder über­lebenswichtig, um eine gemein­same Prax­is umzuset­zen, wie z.B. in Gottes­di­en­sten und Rit­ualen. Pub­lika­tio­nen, Red­ner­In­nen und Räume mussten finanziert wer­den und bei manchen hing das See­len­heil von Mis­sion­ser­fol­gen ab. Die Konkur­renz unter den religiösen Grup­pierun­gen war vielfältig motiviert und stark.

In diesem Feld ent­stand 1875 mit der Grün­dung der Theo­soph­i­cal Soci­ety nun ein neuer Grup­pe­nak­teur, der sich erst ein­mal behaupten musste:13

Abb. 2 Posi­tion­ierung der Theo­soph­i­cal Soci­ety im religiösen Feld 1875 und mögliche Inter­essen der neuen Mit­glieder (Pfeile)

Die Mit­glieder stammten vor­wiegend aus der sozialen Mit­telschicht, waren gebildet und an eso­ter­ischen Strö­mungen inter­essiert. Oft lies ein Gefühl der Ent­frem­dung mit etablierten Kirchen und religiös­er Dok­trin sie nach Alter­na­tiv­en suchen und der Spiritismus hat­te mit seinen Skan­dalen für viele einen Großteil sein­er Glaub­würdigkeit ver­spielt. Aus diesen Impulsen her­aus ent­stand die Grün­dungsidee ein­er Gesellschaft, die sich dem Studi­um und der Erhel­lung des Okkul­ten wid­men wollte, um den Spiritismus zu reformieren und eine ursprüngliche Wahrheit­sre­li­gion wieder zu ent­deck­en.

Nach bre­it­er öffentlich­er Ankündi­gung gab es mehrere Sitzun­gen, doch die geplanten Exper­i­mente zur Erforschung spiri­tis­tis­ch­er Phänomene kon­nten nicht durchge­führt wer­den und das Inter­esse viel­er Grün­dungsmit­glieder schwand. Daher wur­den wegen man­gel­nder Teil­nahme die regelmäßi­gen Tre­f­fen im Herb­st 1876 bere­its wieder eingestellt. Danach war die Theo­soph­i­cal Soci­ety nur noch über Artikel ihrer Mit­glieder und über spek­takuläre Aktio­nen in der Öffentlichkeit präsent. Zum Beispiel organ­isierte sie die erste bud­dhis­tis­che Beerdi­gung und Kre­ma­tion in New York und sorgte damit für Schlagzeilen und ein Spek­takel für die ganze Stadt.

Ein Bestseller schlägt Wogen

In diesem Kon­text erschien nun 1877 mit Isis Unveiled das erste Grund­la­gen­werk der Theo­soph­i­cal Soci­ety, das einen Wen­depunkt in der öffentlichen Wahrnehmung sowohl im religiösen Feld als auch darüber hin­aus bedeutete. Es hat­te den Anspruch, eine uralte Weisheit­sre­li­gion zu enthüllen bzw. wiederzuent­deck­en, die allen Reli­gio­nen zu Grunde liege. Dazu wur­den aus religiösen, eso­ter­ischen, mythis­chen und geschichtlichen Quellen Inhalte zusam­menge­bracht, neu verknüpft und in ein­er über­greifend­en Weisheit­slehre zusam­menge­fasst. Durch Quel­lenangaben und Bezüge auf Autoritäten des religiösen Feldes wurde sowohl ein tra­di­tioneller als auch wis­senschaftlich­er Anspruch erhoben, der das Buch von einem Offen­barungswerk unter­schied. Erst später wur­den Beschrei­bun­gen über einen Schreibprozess mit Unter­stützung tran­szen­den­ter Meis­ter veröf­fentlicht, die eine über­natür­liche Wis­sensquelle nahe legten. Ungereimtheit­en in der Struk­tur des Werkes waren in der Rezep­tion nicht abträglich, da sie in ein­er Logik des spir­ituell-religiösen Feldes auf beson­ders wichtiges (Geheim-)Wissen hin­deuten kon­nten und damit das religiöse Kap­i­tal sog­ar steigerten.

Der kom­plette Titel Isis Unveiled – A Mas­ter-Key to the Mys­ter­ies of Ancient and Mod­ern Sci­ence and The­ol­o­gy ver­sprach einen Gen­er­alschlüs­sel zu den Geheimnis­sen der alten und mod­er­nen Wis­senschaft und The­olo­gie. Dieser sollte über eine his­torisch fundierte Zusam­men­führung von Philoso­phie, Reli­gion und Wis­senschaft zu ein­er Enthül­lung der grundle­gen­den Wahrheit führen. Auf der Basis von enormem Quel­len­ma­te­r­i­al stellte Blavatsky in ihrem Namen einen kos­mis­chen Gesam­ten­twurf vor, der etliche Quellen als eigenes Wis­sen erscheinen lies. Dies führte 1891 zu hand­festen Pla­giatsvor­wür­fen, die allerd­ings zu einem Zeit­punkt veröf­fentlicht wur­den, an dem das Buch bere­its fest im Kanon der theosophis­chen Lit­er­atur und damit im religiösen Feld etabliert war.14

Reaktionen auf die Veröffentlichung

Doch zurück zum Zeit­punkt der Veröf­fentlichung. Wie reagierte der Markt bzw. wie das religiöse Feld auf Isis Unveiled? Spuren der Res­o­nanz lassen sich in den Zeitungsarchiv­en find­en: In der Tage­spresse erschienen sehr zügig pos­i­tive Rezen­sio­nen von Redak­tio­nen, die schon im Vor­feld ein Exz­erpt erhal­ten hat­ten. In ihnen wurde der Umfang und das unglaublich reich­haltige Quel­len­ma­te­r­i­al her­vorge­hoben, die die Autorin in den Gelehrten­sta­tus erhoben. Erst später erschienen auch kri­tis­che Rezen­sio­nen, die sich mit den ganzen 1300 Seit­en befasst hat­ten.

Den­noch verkaufte sich das Buch erstaunlich gut, und inner­halb von 10 Tagen war die erste Auflage ver­grif­f­en. Dies sorgte für Schlagzeilen im Buch­han­del und in der Tage­spresse. Dadurch wur­den sowohl wirtschaftlich­es als auch soziales Kap­i­tal gener­iert, die bei­de weniger mit dem Inhalt zusam­men­hin­gen als viel mehr mit Pres­tige und Öffentlichkeit. Wer bis jet­zt noch nichts von der Theo­soph­i­cal Soci­ety gehört hat­te, kon­nte nun über dieses erfol­gre­iche Buch auf sie aufmerk­sam wer­den. Dadurch kon­nte wiederum religiös­es Kap­i­tal gener­iert wer­den, indem sich Ideen und Welt­bild weit­er­ver­bre­it­eten. Den inter­na­tionalen Markt betrat das Werk in Eng­land über Bou­tons Han­dels­beziehun­gen zum Ver­lagshaus Quar­itch im Dezem­ber. Und inner­halb weniger Monate war der Titel in den Verze­ich­nis­sen viel­er städtis­chen Bib­lio­theken, von Uni­ver­sitäten, The­ol­o­gis­chen Sem­i­naren und Freimau­r­erlogen unter den Neuzugän­gen zu find­en.

Welchen Einfluss hatte die Veröffentlichung auf das religiöse Feld?

Für das religiöse Feld ent­stand mit diesem Buch ein per­so­n­en- und ort­sun­ab­hängiges Objekt, das umfan­gre­ich eso­ter­ische Ideen bün­delte und dem pri­vat­en Studi­um zugänglich machte. In diesem For­mat kon­nte es pri­vat studiert wer­den bzw. gelangte an Verteil­er­punk­te wie öffentliche und pri­vate Bib­lio­theken.15 Damit wurde es sub­stanzieller wahrgenom­men als z. B. Zeitungsar­tikel von einzel­nen AutorIn­nen. Über den Bere­ich der religiösen Ideen kon­nte es als Objekt nun andere Einze­lak­teure inspiri­eren und dadurch selb­st als unbelebter Akteur eine struk­tur­rel­e­vante Wirkung im Feld ent­fal­ten.

In Abbil­dung 3 sind die unter­schiedlichen Impulse dargestellt, die das Buch im religiösen Feld aus­löste. Schon in der Konzep­tions- und Her­stel­lungsphase führte das Buch­pro­jekt Men­schen und Ideen in ein­er kreativ­en Schaf­fen­sphase physisch und intellek­tuell zusam­men (gepunk­tete Lin­ien). Das Autorenteam bestand aus Blavatsky und Olcott, ergänzt durch Wilder als Lek­tor. Für die physis­che Real­isierung war zunehmend Bou­ton ver­ant­wortlich, der durch die Erstel­lung von Druck­plat­ten das Buch und durch die Wer­bung das Feld vor­bere­it­ete.

Abb. 3   Die Dynamik von Isis Unveiled im Feld (Pfeile zeigen die Wirkungsrich­tung an). Gepunk­tet: die Akteure im Entste­hung­sprozess [Blavatsky (HPB), Olcott (HSO), JWB (James W. Bou­ton), AW (Alexan­der Wilder)]; Gestrichelt: inhaltlich­er Beitrag des Buch­es; Solide: Reak­tio­nen von Einze­lak­teuren [LeserIn­nen, Mit­glieder (M) der TG] oder aus über­lap­pen­den Feldern [Fachzeitschriften bzw. deren Redak­teure ® und Tage­spresse bzw. deren Jour­nal­is­ten (J)]. Über­lap­pende Felder des sozialen Raums in qua­dratis­chen Feldern dargestellt.

Mit der Veröf­fentlichung des Buch­es ent­fal­teten die Inhalte ihre Wirkung (gestrichelte Lin­ien). Sie bestanden vor allem aus Kri­tik an der Dog­matik der etablierten Reli­gio­nen, beson­ders der christlichen The­olo­gie und am Spiritismus in der religiösen Szene. Mit der Kri­tik am natur­wis­senschaftlichen Welt­bild reichte der Inhalt aus dem religiösen Feld hin­aus in das Feld der Natur­wis­senschaft und Tech­nik hinein. Aus diesem Bere­ich gab es inter­es­san­ter­weise die aus­führlich­sten Rezen­sio­nen, was den Inhalt betraf, im Gegen­satz zu Artikeln aus dem religiösen Feld. Als Buch trug es außer­dem zum Bere­ich der religiösen Ideen bei und war mit seinen Inhal­ten (Sym­bo­l­ik, Mythen und Mys­tik) auch für Freimau­r­erlogen von Inter­esse.

Nach der Veröf­fentlichung befassten sich Einze­lak­teurIn­nen aktiv mit dem Buch, in dem sie es kauften, lasen, rezip­ierten und sich darüber aus­tauscht­en (solide Lin­ien). Hierzu gehörten die Mit­glieder (M) der Theo­soph­i­cal Soci­ety und die LeserIn­nen (unbe­nan­nt) aus dem öffentlichen Pub­likum, die sich aus Inter­esse, Sen­sa­tion­slust, auf Empfehlung oder als Suchende dem Buch zuwen­de­ten. Die Leser­schaft kon­sti­tu­ierte sich vor­wiegend aus der Mit­telschicht, da die Inhalte eher in den bürg­er­lichen Kreisen disku­tiert wur­den.16 Des weit­eren waren Jour­nal­istIn­nen (J) der Tage­spresse aus beru­flichen Grün­den an dem Buch inter­essiert, die Bou­ton bere­its im Vor­feld mit Exz­erpten informiert hat­te. Die Res­o­nanz bei den Redak­teurIn­nen ® der Fachzeitschriften war eher ver­hal­ten, da sie in der Regel als Kom­mu­nika­tion­splat­tform ein­er spez­i­fis­chen Inter­es­sen­gruppe verpflichtet waren und über die Rel­e­vanz für ihr Zielpub­likum entschei­den mussten und kon­nten. Neben einem pro­fes­sionellen Inter­esse waren hier auch oft per­sön­liche Zu- und Abnei­gun­gen im Spiel.

Das Erfolgsgeheimnis

Der Erfolg eines Buch­es hängt nicht allein vom Inhalt ab. Maßge­blich sind dafür auch die äußeren Bedin­gun­gen, die sein Entste­hen ermöglichen und das Feld, in dem es platziert wird. Am Beispiel von Isis Unveiled (1877) wird deut­lich, wie viele Fak­toren gün­stig zusam­mengewirkt haben, und wie Organ­i­sa­tio­nen sich sta­bil­isierend auswirken kön­nen.

Zur Zeit der Pub­lika­tion gab es ein bre­ites Inter­esse an eso­ter­ischem Wis­sen im religiösen Feld. Das zeigte sich in erfol­gre­ichen ähn­lichen Titeln. Der Ver­leger Bou­ton hat­te das richtig eingeschätzt. Auch die bre­it­ere Öffentlichkeit war durch die Tage­spresse über Skan­dale und Aktio­nen im religiösen Feld gut informiert und genoss eventuell den unter­halt­samen Wert bzw. schüt­telte den Kopf. Die Wer­bung Bou­tons gener­ierte einen Span­nungs­bo­gen bis zur Veröf­fentlichung und bere­it­ete Mul­ti­p­lika­toren im Vor­feld auf das Werk vor. In weniger als zwei Wochen waren die 1000 Exem­plare des ersten Drucks verkauft. Das kön­nte neben der Wer­bekam­pagne auch an einem gesteigerten öffentlichen Inter­esse an Blavatsky gele­gen haben, die durch ihre Per­sön­lichkeit und diversen Leser­brief-Dis­puten mit namhaften Spiri­tis­ten in den Zeitun­gen ein Begriff war. Auch zahlungskräftige Mit­glieder der Soci­ety und der Ver­sand von Belegex­em­plaren mögen dazu beige­tra­gen haben. Die weit­eren Ankündi­gun­gen von Nach­druck­en und Edi­tio­nen gener­ierten wiederum kul­turelles Kap­i­tal und öffentlich­es Inter­esse am erfol­gre­ichen Buch.

Der wichtig­ste Baustein des anhal­tenden Erfolges war allerd­ings die Grün­dung der Theo­soph­i­cal Soci­ety. Ihr Beste­hen sicherte eine Rezep­tion des Buch­es min­destens in den eige­nen Rei­hen auch in der Zukun­ft. Dies war zwar nicht die Inten­tion der Grün­derIn­nen gewe­sen, doch zeigt sich hier deut­lich die Dynamik von struk­turi­eren­dem Feld, aus dem her­aus die Soci­ety ent­stand, und dem Ein­fluss der ent­stande­nen Struk­turen im Feld, die die Ver­bre­itung weltan­schaulich­er Ideen ermöglichte. Obwohl die Soci­ety zum Zeit­punkt der Veröf­fentlichung von Isis Unveiled intern kaum mehr aktiv war, bot sie nach außen eine Organ­i­sa­tion, sie größer erschien und über die berichtet wer­den kon­nte. Aus ihren Rei­hen kam auch das Team von AutorIn­nen, das den Text erschuf und aus den religiösen Ideen der Zeit schöpfte. Ein wichtiger Baustein für die Veröf­fentlichung war allerd­ings auch der Ver­leger, der den Inhalt für druck­würdig hielt und ein physis­ches Objekt ermöglichte. Nach der Erschei­n­ung wiederum kon­nte das Werk Isis Unveiled seine Wirkung über Kom­mu­nika­tion­skanäle und Struk­turen ent­fal­ten, die seine Ver­bre­itung sog­ar inter­na­tion­al förderten. Sowohl das Buch als auch die Theo­soph­i­cal Soci­ety blieben beste­hen, selb­st als die Haup­tak­teurIn­nen den Ort des Wirkens ver­ließen. Die Struk­turen im religiösen Feld wiederum ermöglicht­en die Rezep­tion bis in die heutige Zeit.

Und was sagt Bourdieu dazu?

Durch den Ansatz der Feldthe­o­rie nach Bour­dieu kon­nte ich den Erfolg des Werkes vom eso­ter­ischen Inhalt entkop­peln und jen­seits ein­er Diskus­sion des Wahrheit­sanspruchs oder des dahin­ter liegen­den Welt­bilds betra­cht­en. Stattdessen ste­hen die Beziehun­gen der einzel­nen Akteure im religiösen Feld im Mit­telpunkt, die Dynamik der Posi­tion­ierun­gen, ihre Reich­weite und ihr religiös­es Kap­i­tal. Jedes Feld wird in der Inter­ak­tion zwis­chen Einze­lak­teurIn­nen, Grup­pe­nak­teuren und den her­vorge­bracht­en Objek­ten aufges­pan­nt, die es gestal­ten und von ihm bee­in­flusst wer­den. Dabei sind die Men­schen von ihrer Sozial­i­sa­tion geprägt und von ihrer Per­sön­lichkeit, ihren Fähigkeit­en, Bedürfnis­sen und Moti­va­tio­nen bee­in­flusst. Die Grup­pe­nak­teure wiederum wer­den von den Men­schen gestal­tet und real­isiert, die sich in ihnen zusam­mengeschlossen haben. Auch unbelebte Objek­te kön­nen im Rah­men eines Feldes von Akteuren Sig­nifikanz ver­liehen bekom­men, die sie zu ein­er unab­hängi­gen Agency befähi­gen.

Dies zeigt ein­mal mehr, dass Worte mehr als Schall und Rauch sind. Wer­den sie fix­iert, aufgeschrieben oder gedruckt, kön­nen sie über Raum und Zeit hin­weg ihre Wirkung ent­fal­ten. Die glob­ale Ver­net­zung hat durch die Dig­i­tal­isierung und soziale Net­zw­erke eine enorme Reich­weite erhal­ten. Phänomene wie Echokam­mern, unre­flek­tierte Vielschreiber oder verz­er­rende Behaup­tun­gen kann man zwar schon auch im 19. Jahrhun­dert beobacht­en, doch die Reich­weite, das Vol­u­men und die Schnel­ligkeit haben sich verän­dert. Dabei ist der Ein­fluss von KI-gener­ierten Tex­ten noch nicht abse­hbar. Um so mehr sind in der Textpro­duk­tion und ‑veröf­fentlichung sorgfältige Wort­wahl und reflek­tierte Reak­tion gefragt.

Robyn Han­del, B.A. Reli­gion­swis­senschaft, Goethe Uni­ver­sität Frank­furt, 2025

Weiterführende Quellen

  • Blavatsky, Hele­na Petro­va (1877): Isis Unveiled – A Mas­ter-Key to the Mys­ter­ies of Ancient and Mod­ern Sci­ence and The­ol­o­gy. New York: James W. Bou­ton.
  • Brown, Can­dy Gun­ther (2007): Reli­gious Peri­od­i­cals and Their Tex­tu­al Com­mu­ni­ties. In: Casper et al., A His­to­ry of the Book in Amer­i­ca. Chapel Hill: Uni­ver­si­ty of North Car­oli­na Press. 270–278.
  • Camp­bell, Bruce F. (1980): Ancient Wis­dom Revived – A His­to­ry of the Theo­soph­i­cal Move­ment. Berke­ley: Uni­ver­si­ty of Cal­i­for­nia Press.
  • Cole­man, William Emmette (1891): „The Unveil­ing of „Isis Unveiled“ – A Lit­er­ary Rev­e­la­tion“. The Gold­en Way, 1891, v1 (2), 65–76; v1 (3), 151–163; v1 (4), 207–221; v1 (5), 273–78; v1 (6), 335–41; v1 (7), 410–16; v1 (8), 470–79.
  • Gunn, Robert A.: „Alexan­der Wilder, His Life and Work“. Meta­phys­i­cal Mag­a­zine, 1908, 274–303.
  • Karstein, Uta (2019): „Pierre Bour­dieu: Das religiöse Feld. Zur Ökonomie des Heils­geschens (2000)“. In: C. Gärt­ner und G. Pick­el (Hrsg.), Schlüs­sel­w­erke der Reli­gion­ssozi­olo­gie. Wies­baden: Springer Fachme­di­en. 493–500.
  • Meade, Maude (1980): Madame Blavatsky – The Woman Behind the Myth. New York: Put­nam.
  • Mor­ton, Lisa (2020): Call­ing the Spir­its – A His­to­ry of Seances. Lon­don: Reak­tion Books.
  • Pet­tengill, S. M. (1877): Pettengill’s News­pa­per Direc­to­ry and Adver­tis­ers’ Hand­book for 1877. Com­pris­ing a Com­plete List of the News­pa­pers and oth­er Peri­od­i­cals Pub­lished in the Unit­ed States and British Amer­i­ca. New York: S.M. Pet­tengill & Co. Weit­ere Aus­gaben für 1870 und 1878.
  • Prothero, Stephen Richard (1990): Hen­ry Steel Olcott (1832–1907) and the Con­struc­tion of “Protes­tant Bud­dhism”. Har­vard Uni­ver­si­ty Pro­Quest Dis­ser­ta­tions & The­ses. 
  • Prothero, Stephen Richard (1993): „From Spir­i­tu­al­ism to Theos­o­phy: ‚Uplift­ing‘ a Demo­c­ra­t­ic Tra­di­tion“. Reli­gion and Amer­i­can Cul­ture: A Jour­nal of Inter­pre­ta­tion, Sum­mer, 1993, Vol. 3, No. 2 (Sum­mer, 1993), 197–216.
  • Rudbøg, Tim (2012): H.P. Blavatsky’s Theos­o­phy in Con­text: The Con­struc­tion of Mean­ing in Mod­ern West­ern Eso­teri­cism. PhD Uni­ver­si­ty of Exeter.
  • Streib, Heinz [Hrsg.] (2014): Decon­ver­sion — qual­i­ta­tive and quan­ti­ta­tive results from cross-cul­tur­al research in Ger­many and the Unit­ed States of Amer­i­ca. Göt­tin­gen: Van­den­hoeck & Ruprecht.
  • Tin­dal, George Brown und David E. Shi (2012): Amer­i­ca – A Nar­ra­tive His­to­ry. New York (brief 9th ed.). New York: Nor­ton.

Fußnoten

  1. Der Begriff „Theo­soph­i­cal Soci­ety“ wird unüber­set­zt ver­wen­det, da es im betra­chteten Zeitraum nur die englis­chsprachige Gesellschaft mit rel­a­tiv ein­heitlich­er Agen­da gab. Mit dem Tod Blavatskys trat­en intern Zer­würfnisse auf, die zu Abspal­tun­gen und Aus­grün­dun­gen führten. Die deutsche „Theosophis­che Gesellschaft“ wurde 1898 als Zweig der Theo­soph­i­cal Soci­ety Pasade­na gegrün­det, die sich inhaltlich von der Grün­dungszeit schon deut­lich weit­er­en­twick­elt hat­te. ↩︎
  2. Der mod­erne Spiritismus trat 1848 in Ameri­ka mit den Fox-Schwest­ern an die Öffentlichkeit und gelangte schnell über Eng­land nach Europa. Die bei­den Schwest­ern agierten sehr erfol­gre­ich als Medi­um im Kon­takt mit Ver­stor­be­nen, die sich durch Klopfgeräusche ver­ständlich macht­en oder über automa­tis­ches Schreiben Botschaften an die Hin­terbliebe­nen dik­tierten. Die Phänomene wurde als Beweis für ein Leben nach dem Tod ange­se­hen und boten eine Möglichkeit mit den Toten in Kon­takt zu treten. Eine his­torische Über­sicht bei Lisa Mor­ton (2020): Call­ing the Spir­its – A His­to­ry of Seances. ↩︎
  3. Bour­dieu entwick­elte den sozi­ol­o­gis­chen Ansatz der Feldthe­o­rie im Kon­text der Kul­tur­sozi­olo­gie. Er war daran inter­essiert, wie sich soziale Prax­is konkret im Feld zeigt und welche Dynamik sich unter den Akteuren beobacht­en lässt. Diese Per­spek­tive lässt sich auf die unter­schiedlich­sten Felder der Gesellschaft über­tra­gen. Für das religiöse Feld siehe Karstein (2019). ↩︎
  4. Diese Regeln sind für Außen­ste­hende nicht unbe­d­ingt sicht­bar, aber natür­lich für die SpielerIn­nen höchst rel­e­vant, wenn sie erfol­gre­ich sein wollen. Wer die Regeln bes­timmt, wie sie aus­ge­han­delt wer­den, wie sie aufrecht erhal­ten wer­den und wer sie kontrolliert…das sind alles grup­pen­dy­namis­che Prozesse. von Streib (2014) über­nom­men. ↩︎
  5. Die Visu­al­isierung von Bere­ichen und Kon­ver­sions­dy­namiken wurde von Streib (2014) über­nom­men. ↩︎
  6. Bour­dieu unter­schei­det zwis­chen vier ver­schiede­nen Arten des Kap­i­tals: Ökonomis­ches Kap­i­tal umfasst jede Form materiellen Besitzes. Es ist grundle­gend für alle anderen Kap­i­tal­for­men jedoch keine Macht­garantie. Kul­turelles Kap­i­tal kann sowohl in Objek­ten (Gegen­stände) ver­ankert sein, als auch in Wis­sen und Fähigkeit­en (per­so­n­enge­bun­den) und Bil­dung (insti­tu­tionell legit­imiert). Soziales Kap­i­tal beruht auf sozialen Beziehun­gen (Fam­i­lie, Arbeit, Fre­und­schaft) und Mit­glied­schaften. Sym­bol­is­ches Kap­i­tal bedeutet zum Beispiel die Deu­tung­shoheit der sozialen Ord­nung und des Welt­bildes ↩︎
  7. Blavatskys Per­son hat polar­isiert, was sich in der Vielfalt ihrer Biogra­phien nieder­schlägt. Eine recht detailierte Darstel­lung find­et sich bei Meade (1980). ↩︎
  8. Als studiert­er Land­wirt und baute eine Muster-Farm auf, als Oberst im Bürg­erkrieg wurde er mit der Unter­suchung von Verun­treu­ung betraut, als Jurist wurde er nach dem Bürg­erkrieg ein erfol­gre­ich­er Recht­san­walt, als Jour­nal­ist berichtete er in diversen Zeitun­gen. Einen biographis­chen Überblick gibt Prothero (1990) und die Entwick­lung vom Spiri­tis­ten zum Theosophen wird bei Prothero (1993) dargestellt. ↩︎
  9. Zur Biogra­phie Wilders gibt es einen umfan­gre­ichen Nachruf von Gunn (1908) ↩︎
  10. Eine gut erzählte Geschichte Nor­damerikas find­et sich bei Tindal/Shi (2012). ↩︎
  11. Allein in New York waren für 1877 ins­ge­samt 1076 Zeitun­gen gelis­tet, davon 101 tägliche und 710 wöchentliche Titel. Einige Tageszeitun­gen hat­ten noch eine zweite Aben­daus­gabe. (Pet­tengill 1877) ↩︎
  12. Die Rolle von Fachzeitun­gen für religiöse Gemein­schaften wird bei Brown (2007) beschrieben. ↩︎
  13. Ein infor­ma­tiv­er Überblick der Anfangszeit gibt Camp­bell (1980). ↩︎
  14. Veröf­fentlich von Cole­man (1891) im Gold­en Way. Eine akademis­che Über­sicht der ver­wen­de­ten Quellen bei Rud­bog (2012). ↩︎
  15. In der Wis­senskom­mu­nika­tion waren Bib­lio­theken im 19. Jahrhun­dert zen­tral. In ihnen war das Wis­sen der Zeit ein­ge­lagert und für alle Mit­glieder zugänglich. Öffentliche Bib­lio­theken dien­ten der All­ge­mein­bil­dung. Die Kat­a­loge aus dieser Zeit wiesen eine große Band­bre­ite (auch) an religiösen, spir­ituellen und antiken Werken auf und Neuzugänge wur­den regelmäßig veröf­fentlicht. Durch enge Zusam­me­nar­beit und Aus­tausch mit inter­na­tionalen Ver­la­gen waren auch Neuer­schei­n­ung aus Europa in den Bestän­den schnell zu find­en. ↩︎
  16. Prothero (1993). ↩︎

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