Tätigkeitsbericht 1995

Auszug aus dem Geschäftsbericht

Erstmals fand die Jahresmitgliederversammlung Anfang Februar und nicht wie in den Jahren zuvor im April statt. Dadurch konnte die angestrebte Beitragserhöhung noch im laufenden Jahr wirksam werden. Mit diesem auf der Mitgliederversammlung 1994 vorbereiteten Beschluß war es möglich, das strukturelle finanzielle Defizit, daß den Verein in den vergangenen Jahren belastete, auszugleichen. Die Beitragsseinnahmen sichern nunmehr die Finanzierung des Büros sowie der laufenden Verwaltungsausgaben. Die Mitgliederversammlung bestätigte zugleich die Vorstandsmitglieder Martin Baumann, Steffen Rink, Hermann Ruttmann und Detlef Thofern in ihrem Ämtern und wählte Gritt M. Klinkhammer neu zur Beisitzerin. Das Jahr 1995 stand im Zeichen zweier Ereignisse: dem Symposion »Kritik an Religionen? Religionswissenschaft und der kritische Umgang mit Religionen« sowie der Veröffentlichung »Vielfalt der Religionen am Beispiel der Glaubensgemeinschaften im Landkreis Marburg-Biedenkopf«. Für diese Publikation hatte der Autor Hermann Ruttmann Ende 1994 eine befristete Projektstelle bewilligt bekommen. Ende September konnte die umfangreiche Studie, die erstmal ein Gebiet in der Fläche untersuchte, im Beisein von Landrat Dr. Kurt Kliem der Öffentlichkeit vorgestellt werden (siehe die Vorstellung in diesem Geschäftsbericht). Vom 24. bis 26. November 1995 fand das Symposion »Kritik an Religionen« in der Alten Universität in Marburg statt. Rund 100 TeilnehmerInnen diskutierten drei Tage lang über die für die Religionswissenschaft weiterhin nicht eindeutig beantwortete Frage, ob und wenn ja in welchem Rahmen es der Religionswissenschaft erlaubt oder geboten sei, Religionen zu kritisieren (siehe den Tagungsbericht in diesem Geschäftsbericht). Die lange Vorbereitung, die von Tobias Frick, Gritt M. Klinkhammer, Anke Richter und Steffen Rink geleistet wurde, hat sich ausgezahlt. Die »Regie« des Symposions, durch die die einzelnen Vorträge und Diskussionsphasen beginnend vom Eröffnungsbeitrag von Prof. Dr. Hans G. Kippenberg bis zur abschließenden Podiumsdiskussion aufeinander abgestimmt sein sollten, war geglückt. Beide Ereignisse, das Symposion und die neue Religionsstudie, haben zur erheblich Profilierung von REMID in der wissenschaftlichen Welt und in der Öffentlichkeit beigetragen. Die Studie »Vielfalt der Religionen« ist zum Jahresende 1996 nahezu vergriffen; die Auflage betrug 1000 Exemplare. Das Buch wird vielen Menschen aus der Region zur Erstinformation über die Religionen ihrer Heimat verwendet. Der Verkaufserfolg der Studie ist vor allem vor dem Hintergrund beachtlich, daß von der ähnlichen Veröffentlichung, die Hermann Ruttmann 1993 publizieren konnte und die auf die Stadt Marburg beschränkt war, alle 500 hergestellten Exemplare verkauft werden konnten. Das Symposion konnte deutlich machen, daß REMID bemüht ist, seine Präsenz in der Öffentlichkeit und die damit verbundene Meinungsäußerung insbesondere zu strittigen Fragen auch theoretisch zu fundieren. Positiv für beide Projekte hat sich ausgewirkt, daß REMID seit Ende 1994 in Anke Richter eine Mitarbeiterin auf Basis einer BSHG-19-Maßnahme beschäftigt hatte, die die anfallenden organisatorischen Aufgaben mit großem Engagement übernahm. Die Maßnahme für Anke Richter wurde so auch über den üblichen Zeitraum von 12 Monaten hinaus um drei Monate verlängert. Weniger glücklich fiel die Besetzung einer weiteren BSHG-19-Maßnahme. Der Inhaber mußte die Beschäftigung nach zwei Monaten aus gesundheitlichen Gründen wieder beenden. Somit stand zum 1. September 1995 eine neue Stellenbesetzung an. Dr. Axel Bergmann wurde eine BSHG-19-Maßnahme bei REMID vermittelt. Sein Hauptarbeitsgebiet lag zunächst in der Entwicklung einer Verschlagwortungssystematik für die REMID-Dokumentationsstelle. Noch vor dem Symposion und der Buchveröffentlichung fand am 20. Mai 1995 in Marburg ein »Drewermann-Kolloquium» statt. Unter der Moderation von Dr. Edmund Hermsen (REMID) diskutierten der Philosoph Joachim Kahl, der Theologieprofessor Marcel Martin und Thomas Schweer (REMID) vier Stunden lang über Eugen Drewermann aus je ihren Blickwinkeln. An dieser Veranstaltung, die an einem Samstag nachmittag stattfand, nahmen rund 60 ZuhöherInnen teil. Zur Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Religionsgeschichte (DVRG) vom 3. bis 6. Oktober in Bonn veranstaltete REMID einen Büchertisch, ebenso wie bereits zum Symposion der Studierenden in Marburg vom 13. bis 15. Januar. Eine publizistische Kritik an REMID fand im »Materialdienst der EZW« in der Ausgabe vom März statt. Der damalige EZW-Referent Hansjörg Hemminger sprach in einem Aufsatz über die »Sekten«-Diskussion vom »sogenannten« Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst und stellte REMID in eine Ecke mit den sog. »Sekten«. Weiterhin warf Hemminger REMID vor, der Verein propagiere das Feindbild »der« Kirchen. Gleiche Vorwürfe wurden im einzelnen an REMID-Mitglied Joachim Süss gerichtet. Indiz war Hemminger u. a. die Publikation der Serie »Neue religiöse Bewegungen« in der Zeitschrift Connection. Seitens des Vorstandes verwahrte sich Steffen Rink schriftlich bei Hemminger gegen solche Vorwürfe. Insbesondere unterstütze REMID keine religiösen Gemeinschaften, sondern trete für eine vorurteilsfreie, offene und kritische Diskussion über neue religiöse Bewegungen ein. Daß durch eine solche Umgangsweise auch Freiräume für die Betätigung von Religionsgemeinschaften erweitert werden können, kann selbstverständlich das Ergebnis solch einer Diskussion sein.

© 2007-2011 REMID e. V. Marburg ♦ Letzte Bearbeitung: 10.02.2011 ♦


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