REMID
Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V.
Durch die Bewilligung eines Abschlussstipendiums unterstützte der REMID e.V. mich im Wintersemester 21/22 beim Schreiben meiner Masterarbeit zum Thema „Catholic Hegemony? Die Konstruktion von ‚Religion(en)‘ in der TV-Serie Supernatural“. Die Arbeit wurde am Institut für Religionswissenschaft der Leibniz Universität Hannover mit der Betreuung durch Frau Dr. Carmen Becker und Herrn Dr. Steffen Führding verfasst.
Fragestellung
Die Arbeit hatte das Ziel die Forschungsergebnisse in Bezug auf die TV-Serie Supernatural der US-amerikanischen Kommunikationswissenschaftler*innen Erika Engstrom und Joseph Valenzano III aus religionswissenschaftlicher Sicht zu überprüfen. Supernatural ist eine US-amerikanische Fernsehserie, die von 2005 bis 2020 von „Warner Bros. Television“ und „Wonderland Sound and Vision“ produziert wurde. Drehort für die 327 Episoden der 15 Staffeln war Kanada. In den USA wurde die Serie von den Sendern „The WB“ (S1) und „The CW“ (S2-15) ausgestrahlt. In Deutschland erfolgte die Erstausstrahlung im Pay-TV auf Premiere (heute Sky) 2006 und im Free-TV auf ProSieben 2007. Supernatural handelt vom Kampf der Hauptcharaktere Sam und Dean Winchester gegen übernatürliche Widersacher (z.B. Vampire, Dämonen, Werwölfe, etc.) und ihrem Versuch die Apokalypse nach christlichem Schema zu verhindern. Die Serie wird als eine Mischung der Genres Horror und Soapopera beschrieben.
Erika Engstrom und Joseph Valenzano
Die beiden Kommunikationswissenschaftler*nnen Engstrom und Valenzano kommen durch mehrere Arbeiten zu dem Schluss, dass in Supernatural eine Hegemonie des Katholizismus dargestellt wird, dieser also als allen anderen Religionen übergeordnet präsentiert wird. Ihre qualitative Forschung ist jedoch meiner Meinung nach schlecht dokumentiert und von einem katholisch-dominierten Alltagsverständnis von Religion geprägt. Selbst ihre Ergebnisse wiesen eher auf die Konstruktion einer ‚Ur-Religion‘ in der Serie hin.
Die zentrale Frage der Arbeit war darum: Wie werden Religion(en) in der US-Fernsehserie Supernatural dargestellt? Um die Ergebnisse von Engstrom und Valenzano zu überprüfen wurde eine Qualitative Inhaltsanalyse der Staffeln eins bis fünf der Serie Supernatural durchgeführt. Die hierfür nötigen DVDs der Serie und die Analysesoftware MAXQDA konnten dank des Abschlussstipendiums problemlos angeschafft werden.
Qualitative Inhaltsanalyse
Die Codierung und Analyse des Videomaterials erfolgte in MAXQDA mit einem modifizierten 3‑Phasen-Verfahren auf Basis der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz.
- In Phase 1 wurden anhand einer Stichprobe von Episoden Proto-Kategorien entwickelt, die die Basis des Kategoriensystems bildeten.
- In Phase 2 wurden alle Episoden der Analyseeinheit mithilfe der Proto-Kategorien bearbeitet. Es wurden zusätzliche (Sub-)Kategorien gebildet und das Kategoriensystem optimiert.
- In Phase 3 wurden die Theorie der Hegemonialstellung des Katholizismus und die These der Darstellung einer Form von ‚Ur-Religion‘ anhand der Analyseergebnisse und dem entstandenen Kategoriensystem aus Phase 2 überprüft.
Die Arbeit bestätigt, dass Supernatural stark von christlichen Glaubensvorstellungen geprägt ist. Hierbei handelt es sich jedoch nicht nur um katholische Elemente, sondern vorwiegend um die Darstellung eines undefinierten allgemeinen Christentums. Zusätzlich zu den christlichen Einflüssen wird eine Vielzahl von anderen religiösen Traditionen dargestellt. Diese nicht-christlichen Hintergründe werden in Supernatural jedoch meistens als Kontext für einmalige Antagonisten genutzt. Christliche Antagonisten, wie Luzifer, hingegen spielen eine zentrale Rolle in den staffelübergreifenden Storyarcs der Serie. Die Überprüfung des Konzepts des hegemonialen Katholizismus ergab somit, dass die Feststellungen von Engstrom und Valenzano aus religionswissenschaftlicher Perspektive nicht haltbar sind. Sie basieren vornehmlich auf der fälschlichen Zuschreibung von Katholizismus auf unklar definierte christliche Phänomene.
Konstruktion von religiösen Phänomenen
Als Beispiel sei hier zu nennen, dass die beiden Autor*innen jede Darstellung eines Priesters mit weißem Kragen und schwarzer Kleidung als Darstellung von Katholizismus werten, obwohl es darauf keine definitiven Hinweise gibt. Ein weiteres Ergebnis der Analyse ist das Konzept der in Supernatural dargestellten ‚Ur-Religion‘. Sie verbindet christliche und nicht-christliche Elemente durch die zentrale Position der Menschheit in der Kosmologie der Serie. Das wichtigste Bindeglied der verschiedenen Akteure in der ‚Ur-Religion‘ ist der Dualismus von freiem Willen und vorherbestimmtem Schicksal. Die Entscheidung eines Akteurs für eine dieser Seiten beeinflusst in Supernatural buchstäblich, ob die Welt endet oder nicht.
Fazit
Insgesamt hat sich die Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse mit Hilfe einer Analysesoftware als sehr sinnvoll für die Beantwortung der Forschungsfrage erwiesen. Durch die Natur der Arbeit als Masterarbeit konnte jedoch das für die Qualität der Ergebnisse ausschlaggebende Element der qualitativen Forschung, die Intersubjektivität mehrerer Forschender, leider nicht genutzt werden. Die weiterführende Analyse der restlichen10 Staffeln der Serie würde die Ergebnisse höchstwahrscheinlich ebenfalls verändern.
Die Serie Supernatural bietet über meine Fragestellung hinweg Potential für zahlreiche weitere Analysen. So widmen sich Engstrom und Valenzano in „Cowboys, Angels, and Demons: American Exceptionalism and the Frontier Myth in the CW’s Supernatural“ der Darstellung des amerikanischen Exzeptionalismus in Supernatural. Dieser Ansatz könnte ebenso aus religionswissenschaftlicher Perspektive verfolgt werden, da das Exzeptionalismus-Konzept stark mit den religiösen Ursprüngen der USA verwickelt ist. So fällt es selbst bei oberflächlicher Betrachtung auf, dass die Apokalypse nicht im sogenannten ‚Heiligen Land‘ im Nahen Osten stattfindet, sondern alle wichtigen Ereignisse in den USA lokalisiert sind. Eine weitere Möglichkeit ist, die in der Serie präsentierten, religiösen Informationen auf ihre realweltlichen Ursprünge hin zu untersuchen. Inwiefern stimmt der von den Winchesters verwendete Exorzismus mit dem realen katholischen Vorbild überein? Wurden in den verschiedenen polytheistischen Religionen tatsächlich so viele Menschenopfer durchgeführt, wie die Serie suggeriert? Wird der von People of Colour geprägte „Hoodoo“ realistisch dargestellt? Diese und ähnliche Fragestellungen wären es wert, ebenfalls untersucht zu werden.
Tim Rudolph, MA.